127 - Das Aruula-Projekt
ihm verschiedene Lacher.
Ninian explodierte. Sie sprang auf, und ehe ihr Gegner auch nur mitbekam, was geschah, lag er schon rücklings auf dem Boden und Ninians rechter Fuß drückte auf seinem Brustkorb.
Jetzt erst stieß er einen schmerzerfüllten Schrei aus und fasste sich an den Kopf, wo bereits eine Beule zu wachsen begann.
Ninian setzte sich wieder. Sie wollte keinen Kampf mit diesem tumben Burschen und seinen Kumpanen. Sie hatte ihren Auftrag zu planen, da wollte sie sich nicht ablenken lassen.
Doch der überrumpelte Verehrer rappelte sich wieder auf die Füße. »Das darf sich ‘ne Frau nicht mit mir erlauben!«, donnerte er und packte erneut Ninians Schultern. »Kommst du jetzt mit, oder soll ich dir…«
Weiter kam er nicht. Verblüfft starrte er auf seine leeren Pranken. Ninians Bewegungen waren so schnell, dass er ihnen nicht hatte folgen können. Mit einem Male stand sie hinter ihm, leicht breitbeinig, in beiden Händen die Dolche mit den leicht gebogenen Klingen. Die Spitzen der Klingen zeigten auf seinen Hals, auch wenn sie noch eine gute Spanne davon entfernt waren.
»He, he! Immer langsam!«, mischte sich der Wirt ein. Seine Augen waren geweitet. Offenbar fürchtete er, dass hier gleich ein blutiges Gemetzel losbrechen würde.
Nun, damit konnte er durchaus Recht haben.
Ninians Gegner drehte sich langsam herum, und auch seine Augen weiteten sich, als er die Gefahr erkannte, in der er schwebte. »Vergessen wir’s«, quetschte er mit Angst in der Stimme hervor. »Tut mir Leid… wirklich.«
Ninian hörte, dass er es nicht wirklich bedauerte. Er hatte sich eine Abreibung verdient, eine Warnung für die Zukunft.
Den rechten Fuß ließ sie stehen, huschte nur mit dem linken nach vorne. Dazu zuckten ihre Hände vor. Die Klingen fanden sicher ihr Ziel. Plötzlich sickerte Blut aus zwei kleinen Schnitten hinter seinen Ohren.
Der Kerl brauchte ein paar Sekunden, um den Schmerz zu realisieren. Dann brüllte er los. »Die Schlampe hat mir die Ohren abgeschnitten!«, schrie er panisch. »Helft mir doch, verdammt noch mal!« Seine Hände fuhren nach oben, und erst als er seine Ohren berührte und feststellte, dass sie ihm noch am Kopf saßen, entspannte sich seine Mimik ein wenig.
Keiner der anderen Gäste erhob sich. Jede andere Unterhaltung war spätestens jetzt verstummt, alle Gläser standen, teilweise von Händen fest umklammert, auf dem Tisch.
Ninian ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Als sich nichts tat, wandte sie sich um und ging zum Ausgang.
Sie spürte genau, was der in seinem männlichen Stolz Verletzte vorhatte. Dazu brauchte sie nicht zurück zu schauen.
Als der Stuhl mit brachialer Gewalt hinter ihr her flog, steppte sie zur Seite. Die improvisierte Waffe knallte gegen die Wand und zerbrach.
Ninian drehte sich mit einer fließenden Bewegung und schleuderte den Dolch aus dem Handgelenk. Es kostete sie keine große Mühe.
Noch immer starrte ihr Gegner ungläubig vor sich hin, als er in sich zusammensank und liegen blieb. Ninian ging gelassen zu ihm hin, zog die Waffe aus seiner Stirn und verließ unbehelligt die »letzte Bar vor der Einöde«.
Tief atmete sie draußen die frische Luft ein. Es wurde Zeit.
Die Einöde zu durchqueren, würde mindestens einen Tag dauern. Ihr Auftraggeber wollte, dass sein Feind in spätestens vier Tagen tot war.
***
Die Ödnis machte Aruula nervös. Es schien, als wolle sie ihren Blick weiter und weiter in die Ferne ziehen, weil er kaum etwas fand, an dem er verharren konnte. Die erschreckenden, unerklärlichen Erlebnisse und diese Leere in ihr und um sie herum legten sich wie ein düsterer Schatten auf ihre Seele.
Wie viel Zeit wohl vergangen war, seit sie von Maddrax getrennt worden war? Wenn sie sich doch nur erinnern könnte!
Was war geschehen, bevor der Nosfera sie angegriffen hatte?
Ganz offensichtlich war sie schon zuvor in einen Kampf verwickelt worden. Die Wunde an ihrem Hinterkopf legte dies nahe. Oder war sie gestürzt und hatte sich den Kopf angeschlagen? Der Gedächtnisverlust mochte eine Folge davon sein.
Doch alles Nachdenken half nicht. Sie konnte sich nicht erinnern, so sehr sie es auch versuchte. Auch ihr Zeitgefühl hatte gelitten; sie wusste nur noch, dass sie bis vor kurzem mit Maddrax zusammen unterwegs gewesen war – wo und wann das gewesen war, entzog sich ihrer Erinnerung.
Das alles fraß innerlich an ihr und zerstörte ihre Selbstsicherheit. Zusätzlich meinte sie nicht vorwärts zu kommen. Es war wie in
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