1270 - Der Rettungsplan
Kopf schließlich bestand aus einem runden Knochenwulst, auf dessen Vorderseite dasselbe reliefartige Gesicht zu sehen war wie auf der Körpermitte des Tiziden.
„Meister, Meister!" verkündete Tschapl mit schriller Stimme. „Da seid Ihr endlich. Warum hat es so lange gedauert? Es ist längst alles vorbereitet!"
„Ich bin schon da", sagte Truvhan müde. Er schleppte sich weiter. Der Halbabaker ließ ihn vorbei und folgte ihm in zwei Sprüngen Abstand.
Der Tizide war nicht wirklich müde. Er hatte eine ausgiebige Ruhephase hinter sich, er befand sich auf der Höhe seiner geistigen und körperlichen Frische.
Und dennoch. Er war niedergeschlagen und depressiv. Er reagierte manchmal gereizt, und er ertappte sich immer wieder bei Gedanken, die ihn erschreckten. Er sah dann in allem keinen Sinn mehr, und wenn er den neuesten Meldungen aus dem Transmitterdom glauben wollte, dann waren die Tiziden sowieso nicht mehr wert. Die Grauen Lords richteten ihre Hoffnungen einzig und allein auf die Tiefentechnik.
Das Grauleben wird siegen, dachte Truvhan energisch. Und wenn wir es auf gentechnischem Weg neu schaffen müssen. Am Schluß werden auch die Lords erkennen, daß die Tiziden das wichtigste Volk im Tiefenland sind.
Er stöhnte auf. Wieder stürzte er beinahe über sein fünftes Bein. Das Extremitätenpaar unterhalb seines Gesichts griff zu und bog das Bein nach oben. So störte es ihn nicht mehr, aber er fand es entwürdigend, mit einem Bein in den Händen durch die Station gehen zu müssen.
„Wartet!" hörte er Tschapls Stimme wie von weitem. Der Halbabaker schnellte sich davon und kehrte nach kurzer Zeit mit einem Fahrsessel zurück. Aufatmend ließ Meister Truvhan sich hineinsinken. Der Sessel rollte an und brachte ihn auf dem schnellsten Weg in das Zentrallabor.
Seine tizidischen Mitarbeiter erwarteten ihn bereits. Sie taten jedoch nicht, als nähmen sie von seiner Ankunft Notiz, ihre Aufmerksamkeit war auf einen Bildschirm gerichtet, der eine Maschine zeigte, die Nachrichten verkündete und Bilder einblendete. Truvhan verstand die Worte des abgewandelten Armadaslangs nur teilweise, weil er mit seinen Gedanken woanders weilte.
Er dachte an jenen Zeitpunkt, als im Land Mhuthan die große Trauer ausgebrochen war.
Damals hatten die Tiziden und die übrigen in Mhuthan vertretenen Volksgruppen die Nachricht erhalten, daß Lord Mhuthan sein Leben bei dem Versuch verloren hatte, das Kyberland zu erobern.
Von den Jaschemen wußten die Tiziden, daß sie einst das wichtigste Hilfsvolk der Raum-Zeit-Ingenieure gewesen waren. Sie kannten auch die Umstände, unter denen sie aus der Lichtebene ausgezogen waren und sich im Kyberland eingeigelt hatten.
Inzwischen war auch dieses Land grau, aber das brachte Lord Mhuthan nicht mehr ins Leben zurück.
„... ganze Teile verschwunden", hörte er. „Die Regionaltransmitter sind über die Verbundschaltungen aktiviert worden. Alle sind aufgerufen, sie zu benutzen, solange noch die Möglichkeit dazu besteht. Begebt euch zu eurem Transmitterdom. Roboter und Paladine erwarten euch dort und weisen euch in das Gebiet um den Dom ein. Dies gilt für alle Bewohner des Tiefenlands. Begebt euch auf dem schnellsten Weg..."
„Schluß mit dem Unfug!" rief Truvhan aus. „Fangt an!" Die Tiziden und ein paar Angehörige anderer Völker, die in Mhuthan Unterschlupf gefunden hatten, fuhren herum und starrten den Gen-Techniker an.
„Hast du nicht verstanden, was gesagt wurde?" fragte Premyn, einer seiner fähigsten Bakteriologen.
„Was spielt es für eine Rolle?" entgegnete er gereizt. „Es wird viel gesagt. Ändern wird sich nichts. Das Grauleben hat das gesamte Tiefenland erobert. Das ist ein Faktum!"
Die Tiziden wandten sich schweigend ab und strebten den verschiedenen Ausgängen zu. Wieder verkündete der Roboter auf dem Bildschirm die Anweisung, die von Lord Duncan kam. Jetzt endlich nahm Truvhan ihren Sinngehalt in sich auf. Sein Körper versteifte sich, und er kam schwankend aus dem Fahrsessel heraus.
„Aber das könnt ihr doch nicht tun!" schrie er ihnen hinterher. „Tschapl, halte sie auf!"
Der Halbabaker stürmte davon, aber er richtete nichts aus. Die Tiziden ließen sich nicht von ihm beeindrucken.
Premyn war einer der letzten, die das Zentrallabor verließen. Unter dem Ausgang wandte er sich noch einmal um.
„Geht, geht!" schrie Meister Truvhan. „Ich werde es euch nicht vergessen. Glaubt ihr, ich kann mir das Bein nicht selbst entfernen? Ich dachte, es interessiert
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