1273 - Poker mit dem Tod
offenbaren. Und sie taten es mit einem gewissen Genuss.
Josh war der Erste. Er schob sehr bedächtig seinen Stuhl zurück, um den Körper frei zu legen. Dann streckte er die Beine aus und hob sie zugleich an.
Er trug eine lange Hose, die recht weit geschnitten war. Aber keine Schuhe, denn nur so waren seine Füße zu sehen, die er nun auf die Tischkante legte.
Kid Longo hatte sich schon daran gewöhnt, etwas Schreckliches zu sehen, doch wieder stockte ihm der Atem, denn er sah, dass die Füße des Mannes nicht normal waren.
Auch dort war die Haut abgefallen. Keine Zehennägel, keine Adern, kein Blut, nur das blanke, in einem Farbton zwischen Gelb und Weiß schimmernde Skelett.
Der linke und der rechte Fuß waren davon betroffen. Was Josh nicht mehr viel ausmachte, denn er drehte locker den Kopf und grinste Longo breit an.
Kid schluckte. Er war noch immer nicht in der Lage, zu reden. In seinem Nacken hatte sich der Schweiß zu einem Tropfen gesammelt, und der rann wie ein Eiskorn über seinen Rücken hinab.
»Wahnsinn«, flüsterte er.
Auch jetzt bekam er von Josh keine Antwort. Der Veränderte zog die Beine an und ließ sie wieder unter dem Tisch verschwinden. Er hatte sich genügend lange offenbart.
Longo sah es schon als einen Vorteil an, dass er sich bewegen konnte, und so hob er beide Hände, um über sein schweißnasses Gesicht zu wischen. Viel erreichte er damit auch nicht, denn der Schrecken blieb.
Es fehlte noch Emilio, der Mann mit der Halbglatze und der korpulenteste unter ihnen. Langsam drehte er den Kopf.
Longo hatte bisher nur die linke Gesichtsseite des Mannes gesehen. Das änderte sich, als Emilio den Kopf drehte und ihm jetzt das volle Gesicht zeigte.
Beinahe hätte Longo geschrieen. Dass er es nicht tat, wunderte ihn selbst. Er klebte auf seinem Stuhl fest, und sein Schrei blieb in der Kehle stecken.
Emilio besaß nur noch eine Gesichtshälfte, die man als normal bezeichnen konnte. Die rechte Seite bestand nur noch aus Knochen. Alles andere wirkte wie angefressen und blank geleckt.
Longo hatte so etwas noch nie in seinem Leben gesehen. Da er nicht in irgendwelche Horrorfilme ging, war sein Entsetzen ganz natürlich. Hätte er es getan, dann wäre er wohl nicht so geschockt gewesen. Aber ihm war auch klar geworden, dass er hier nicht als einer der Darsteller in einem Gruselfilm hockte. Was er hier zu sehen bekam, war alles echt. Und er gehörte mit zum Spiel.
Was aus dem offenen Mund drang, war nichts anderes als ein Röcheln. Er spürte den Druck auf den Augen und merkte, dass die dünne Haut an seinem Hals zuckte. Das Gesicht sah am scheußlichsten aus. Als Emilio jetzt zu grinsen begann, da bewegte sich nur seine linke Mundhälfte, denn die rechte war gar nicht mehr vorhanden.
Auch bei ihm schimmerten die Knochen gelblich. Zudem sahen sie glatt aus, als wären sie poliert worden. Es war so perfekt. Bei allen Zockern.
Nur einer war normal!
Ich bin es! Ich bin es noch!
Er merkte die Angst, die in ihm hochstieg. Er war nicht mehr fähig, ein Wort zu sagen. Es wunderte ihn, dass er noch Luft holen konnte.
»Willkommen im Club«, flüsterte das Skelettgesicht. »Jetzt ist die Runde komplett.«
Es waren die üblichen Worte, mit denen sich die Pokerspieler begrüßten, aber darauf achtete Kid Longo nicht. Er nahm überhaupt nichts mehr wahr. Für ihn waren nur die Veränderungen der Männer wichtig, und er wunderte sich, dass sie damit leben konnten.
Kid dachte auch einen Schritt weiter, denn als nächsten würde es ihn erwischen.
Longo verfluchte sich, und er verfluchte das, worauf er sich eingelassen hatte. Er gab sich selbst gegenüber zu, wahnsinnig zu sein, so etwas in die Wege geleitet zu haben, aber er wusste zugleich, dass es für ihn kein Zurück mehr gab.
Oder vielleicht doch?
Er wollte nicht mehr länger zwischen diesen veränderten Pokerspielern sitzen bleiben. Er musste einfach weg, und das war eigentlich so einfach. Nur aufstehen, zur Tür gehen und dann verschwinden.
Seine drei Mitspieler ahnten, was in ihm vorging. Kid hatte bereits seine Hände auf die Lehnen des Stuhls gelegt, als sich ihm die Gesichter wie auf einen geheimen Befehl hin zudrehten und die Mitspieler zugleich die Köpfe schüttelten.
Longo lachte verlegen. »He, was soll das? Ihr wisst doch gar nicht, was ich vorhabe.«
»Du willst verschwinden und unsere Runde verlassen«, sagte Nick.
»Aber nein, ich… ich… muss mal eben. Ich komme zurück und…«
»Du wirst spielen!«, stellte Josh mit
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