1274 - Der Wolf und das Mädchen
was, das ist super.«
Sie stellte den Motor wieder an. Jetzt war die Frau mit dem Kopftuch richtig aufgeregt. Sie fluchte über die Lüstlinge, während sie recht schnell fuhr.
Das Mädchen sagte nichts mehr. Stattdessen dachte es nach. Bei der Polizei war sie zunächst mal sicher. Und dann musste sie nur noch einen Weg finden, um an ihre Mutter heranzukommen, um ihr zu erzählen, was man mit ihrem Haus alles gemacht hatte…
***
Ich hatte London erreicht und war nicht eben bester Laune. Irgendwie fühlte ich mich auf den Arm genommen. An einem Tag hin, an einem zurück, und dazu noch ohne Erfolg.
Aber der Weg zum Erfolg führte über eine Frau namens Wendy Crane, und diesmal würde ich mich nicht abweisen lassen von diesem Sekretär mit der öligen Stimme.
Ich hoffte, ihn noch im Büro anzutreffen. Von unterwegs hatte ich einige Male angerufen, ihn aber nicht erwischt, und als ich das Ziel fast erreicht hatte, da erwischte ich ihn, legte aber auf, ohne mich zu melden.
Der Knabe entkam mir nicht mehr.
Mit meinem Freund und Kollegen Suko hatte ich mich nicht in Verbindung gesetzt. Er sollte das sonnige Wochenende mit seiner Partnerin Shao genießen, denn ich war in den Fall hineingezogen worden und nicht er. Ich wollte die Suppe auch auslöffeln.
Parkplätze waren kaum zu finden, und so stellte ich den Rover schräg auf dem Gehsteig ab. Das Blaulicht mit dem Magneten an der Unterseite legte ich sichtbar auf den Fahrersitz.
Ein moderner Bau, ein modernes Büro. Das passte zusammen. Je höher man fuhr, desto besser wurde die Sicht und je teurer waren die Büromieten.
Wenig später stand ich vor der Tür des Büros, in dem ich mich schon einmal mit Wendy Crane getroffen hatte.
Es gibt gewisse Gebote der Höflichkeit, die ich in diesen Augenblicken über Bord warf. Jetzt war es wichtig, so schnell wie möglich an Informationen heranzukommen, und die Tür, die nicht verschlossen war, öffnete ich sehr schwungvoll.
Es gab kaum Geräusche. Trotz dem wurde ich gehört, denn Manuel Bayonne, der Ölige, fuhr blitzartig herum und starrte mich an.
»Sie?«
Ich kickte die Tür mit dem Absatz zu. »Ja, in Lebensgröße.«
Er hielt irgendwelche Unterlagen in der Hand, die er soeben in einer schmalen Tasche hatte verschwinden lassen wollen. Jetzt aber legte er sie darauf.
»Was wollen Sie denn?«
»Das sollte Ihnen doch klar sein. Schließlich haben wir am Telefon darüber gesprochen.«
»Sie wollen zu Wendy.«
»Erfasst!«
»Das geht nicht!«
Sture Typen kannte ich. Dieser schleimige Kerl gehörte wirklich zu den stursten, die ich je erlebt hatte. Er schaute mich an, als wollte er mich mit seinem Blick töten.
Mit zwei langen Schritten hatte ich ihn erreicht. Zum dunklen Designer-Anzug passte das weiße Designer-Hemd, das recht weit geschnitten war. Es bereitete mir keine Mühe, den Stoff zu fassen und ihn zusammenzudrehen.
Ich drückte ihn so weit zurück, bis er gegen den Schreibtisch stieß und sogar darüber hinwegkippte, sodass er mit dem Rücken auf der Platte lag.
»Jetzt hör mir mal genau zu, mein Freund«, flüsterte ich scharf. »Ich habe keine Lust, mich hier auf lange Diskussionen einzulassen. Ich will jetzt von dir wissen, wo sich deine verdammte Chefin befindet. Verstanden?«
Er sagte nichts. Er starrte in die Höhe. Er schwitzte. Er roch nach Parfüm, und er bewegte zuckend seinen Mund. Auf seinen Lippen schimmerte Speichel.
»Nein, nein…«
Wieder schüttelte ich ihn durch, auch wenn er lag. »Was genau heißt das?«
»Ich kann nichts sagen. Es ist kurz vor Beginn der Sendung. Da darf Wendy nicht gestört werden. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, verflucht! Auch wenn ihre Mutter gestorben wäre, hätte sie das erst nach der Sendung erfahren. So sind die Regeln in unserem Geschäft.«
Ich drückte ihn noch härter gegen die Schreibtischplatte und beugte mich auch tiefer. »Alles klar, mein Freund, ich habe dich verstanden. Aber es ist mir scheißegal, ob ich Wendy störe oder nicht. Ich will und ich werde mit ihr reden. Solltest du dich dagegen stemmen, werde ich dich mitnehmen und für eine Nacht einsperren lassen wegen Behinderung eines Polizeibeamten. Überlege es dir, aber überlege es dir schnell.«
Ich gab ihm einige Sekunden. Es war fast zu sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er überlegte.
Und sicherlich dachte er auch darüber nach, wie er aus dieser Klemme wieder herauskam.
»Sie wollten doch zu ihr - oder?«, fragte ich.
»Ja.«
»Dann fahren wir
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