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1274 - Der Wolf und das Mädchen

1274 - Der Wolf und das Mädchen

Titel: 1274 - Der Wolf und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sie doch draußen abfangen.«
    Ich schaute auf die Uhr. »Die Sendung müsste eigentlich bald vorbei sein. Weißt du, wie sich deine Mutter nach ihrer Arbeit immer verhält? Geht sie noch irgendwo hin?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Aber ich…«
    Die Tür wurde geöffnet. Nicht so flott wie man es eigentlich hätte erwarten können, sondern recht langsam und irgendwie stockend. Es war keine fremde Person, die die Garderobe betrat, sondern Wendy Crane, Carolines Mutter…
    ***
    Das Mädchen wollte auf sie zustürmen, aber ich hielt Caroline fest und legte zugleich einen Finger auf meine Lippen. Sie verstand und hielt den Mund.
    Etwas war mit Wendy Crane geschehen. Sie hatte die Garderobe nicht normal betreten, sondern sah aus wie ein Mensch, der sich noch bis vor kurzem stark beherrscht hatte, nun aber nicht mehr in der Lage war, dazu zurückzufinden. Sie war fertig, ausgepumpt, leer. Sie stöhnte und hatte für ihre Umgebung keinen Blick.
    Mit weichen Knien und schleifenden Bewegungen torkelte sie auf die Spiegelwand zu. Dass jemand am Boden lag, nahm sie nicht wahr. Sie wäre sogar beinahe über Bayonne gestolpert.
    So stieß sie nur zwei kleine Flaschen zur Seite und trat einmal auf einen Schminkschwamm, bevor sie nach einem Hocker griff und ihn so hinstellte, dass sie darauf Platz nehmen konnte.
    Sie schaute jetzt auf den Spiegel. Aber sie sah sich selbst nicht, weil sie die Hände vor ihr Gesicht geschlagen hatte und damit auch die Augen verdeckte. Es war nicht mal sicher, ob sie mich oder ihre Tochter wahrgenommen hatte. Diese Frau war so fertig, als hätte man ihr sämtliche Energien geraubt.
    Caroline hatte nach meiner Hand gegriffen. Ich merkte, wie ihre Finger zitterten. Sie konnte die Angst nicht länger unterdrücken. Davon zeugten auch ihre heftigen Atemzüge. Auch sie hatte gespürt, dass mit der Mutter etwas nicht stimmte, und allmählich breitete sich in mir ein bestimmter Verdacht aus, den ich allerdings für mich behielt, um Caro nicht zu beunruhigen.
    »Was soll ich ihr sagen, John?«
    »Du sagst nichts, Caro. Ich übernehme das.«
    »Und was ist mit Mum?«
    »Im Moment ist ihr nicht gut.«
    »Ja, das sehe ich.«
    »Dann lass sie auch in Ruhe.«
    Caroline schaute noch einmal auf den Spiegel. Sie stellte fest, dass sich die Haltung ihrer Mutter nicht verändert hatte, dann wandte sie sich ab und setzte sich wieder auf ihren Hocker. Beide Handflächen lagen flach auf den Knien.
    Ich wusste nicht, was die Frau so fertig gemacht hatte. Wenn sich mein Verdacht jedoch bestätigen würde, dann lag es auf der Hand, was mit ihr geschehen war.
    Noch tat sie nichts. Ihr Gesicht blieb hinter den Händen verschwunden, und ich schaute auf ihren Rücken, der sich unter den schweren Atemzügen bewegte.
    Ich hätte sie längst ansprechen können, doch das verkniff ich mir. Ich wollte warten, bis sie sich etwas erholt hatte, um dann normal zu reden.
    Hinter ihr stellte ich mich auf wie ein Leibwächter. Sie hielt die Hände auch jetzt vor ihr Gesicht, aber sie hatte sie auch ein wenig nach vorn gedrückt, sodass sie in den Trichter hineinsprechen konnte und dann auch gehört wurde.
    »Ich weiß, dass Sie hinter mir stehen, John.«
    »Gut.«
    »Ich weiß auch, dass meine Tochter lebt.«
    »Stimmt. Und damit haben wir viel erreicht.«
    »Das wollte ich. Ich wollte nicht, dass sie der Bestie in die Klauen fiel. Ich wollte, dass es eine Möglichkeit gibt, die Bestie durch meine Tochter zu heilen. Aber das ist leider nicht gelungen, denn der andere Trieb war stärker.«
    »Wieso?«
    Die Hände sanken nach unten. »Ich wollte herausfinden, wie stark familiäre Bindungen sein können. Ob Sie stärker sind als ein Fluch.«
    Ich sagte auf diese Bemerkung nichts und schaute die Frau nur an. Das Gesicht und der Ausdruck darin waren für mich wichtig. Zuletzt hatte ich sie im Scheinwerferlicht gesehen. Da war sie perfekt geschminkt gewesen und hatte ihre Schau abziehen müssen. Davon war nicht viel übrig geblieben.
    Wendy Crane wirkte um Jahre gealtert. Die Schminke war verlaufen. Möglicherweise hatte ein starker Schweißausbruch dafür gesorgt. Ihr Mund war verzerrt, der Lippenstift verschmiert.
    Ich kam mir blöde vor, hinter ihr zu stehen. Deshalb nahm ich auf einem Hocker Platz, der in ihrer Nähe stand, und wartete darauf, dass sie zu reden begann.
    Wendy würde sprechen, das stand für mich fest. Sie würde mir das sagen, was sie quälte. Es musste einfach aus ihr heraus, denn sie litt darunter.
    Sie stöhnte. Sie

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