1274 - Der Wolf und das Mädchen
wirklich große Sorgen um dich. Sie ist es nämlich gewesen, die mich nach Woodstone geschickt hat. Sie hatte Angst um dich. Sie fürchtete, dass auch du getötet werden könntest. Deshalb sollte ich dich schützen. Aber du bist nicht mehr da gewesen.«
Caroline blickte aus großen Augen zu mir hoch. »Du bist von meiner Mutter geschickt worden?«
»Ich schwöre.«
»Warum ist sie nicht selbst gekommen?«
»Sie ist sehr beschäftigt, wie du sicherlich weißt. Außerdem kenne ich mich mit einer bestimmten Art von Wölfen aus«, sagte ich, ohne dass ich direkt auf die Werwölfe zu sprechen kam. »Und dann bist du weg gewesen, aber jetzt habe ich dich gefunden, und ich denke, dass wir gemeinsam auf deine Mutter warten sollten.«
»Wir warten doch schon.«
»Klar, Caroline, aber nicht hier. Es ist besser, wenn wir in die Garderobe gehen. Ich kenne mich da aus.« Ich sagte ihr nicht, wie sich Wendy mir gegenüber verhalten hatte. Ich ließ die Mutter aus dem Spiel. Das würde erst anders werden, wenn wir ihr gegenüberstanden.
»Wann sollen wir gehen?«
»Sofort.«
»Toll. Das wird bestimmt eine Überraschung werden.«
Darauf konnte sich das Mädchen verlassen.. Ich wünschte mir nur für Caro, dass es keine böse wurde, aber da steckte man nicht drin. Das musste ich alles dem Schicksal überlassen.
»Oder willst du noch zusehen?«
»Nein.«
»Dann komm.«
Caroline Crane hatte Vertrauen zu mir gefasst. Bevor sie ihre Hand in meine legte, schaute sie zu mir hoch und lächelte. Ich erwiderte das Lächeln durch ein Nicken, dann gingen wir los, und wir verhielten uns unauffällig. Außerdem hatten die Leute, die wir sahen, nur Augen für die Sendung.
Wir gingen vorbei an Außenkulissen, stiegen über Kabel hinweg und passierten hohe Scheinwerfer, bis wir den Eingang erreichten. Auf der untersten Stufe der breiten Treppe saß ein junger Farbiger mit einer weißen Kappe auf dem Kopf und telefonierte. Er kicherte mehr als dass er sprach und schien nur Witze zu hören.
Wir gingen an ihm vorbei, ohne von ihm bemerkt zu werden. Caroline schaute sich staunend um.
»Werden hier auch Filme gedreht?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Ich denke schon.«
»Das sieht gar nicht so aus.«
»Die Wirklichkeit ist oft anders, Caroline. Das wirst du noch oft genug in deinem Leben bemerken.«
Wir erreichten die erste Etage. Hier gab es den Flur mit den Garderoben. Ich war froh, dass ich niemanden zu fragen brauchte, und mit dem Kind direkt zur Garderobe ihrer Mutter gehen konnte. Wir hatten noch etwas Zeit. Die Hälfte der Sendung war erst vorbei.
Einige Türen standen offen. Die schon aufgetreten waren oder noch auftreten mussten, hatten sich hier versammelt. Sie unterhielten sich, lachten oder schauten einfach nur gegen die Wände, um sich zu konzentrieren. Einige tranken oder rauchten. Man vertrieb sich eben die Wartezeit.
Ich wundere mich nicht, dass die Tür zu Wendy Cranes Garderobe verschlossen war. Und ich dachte dabei an Manuel Bayonne. Ich konnte mir vorstellen, dass er sich noch immer dort aufhielt und auf seine Chefin wartete.
»Kennst du Manuel Bayonne?«, erkundigte ich mich bei dem Mädchen.
»Ja, den kenne ich.«
»Gut?«
»Nein, John. Ich habe ihn ein paar Mal gesehen, das ist alles. Wirklich nicht gut.«
»Wahrscheinlich ist er noch da.«
Caroline hob nur die Schultern.
Er war tatsächlich da. Das sahen wir, als ich die Tür aufdrückte. Ich hatte dabei auf die Geräusche geachtet und hielt sie in Grenzen. Zwei Wandleuchten gaben ihr Licht und machten den kahlen Raum mit den Spiegeln an Wänden auch nicht schöner. Auf einem der Hocker saß Manuel Bayonne. Er drehte uns sein Profil zu und hatte seine Beine ausgestreckt. Der linke Hemdärmel war in die Höhe gezogen. Er hatte sich eine Einwegspritze gesetzt, in der sich bestimmt keine Traubenzuckerlösung befand, sondern eine Droge. Die Spritze lag vor dem Spiegel. Bayonne, der Ölige, hatte sich den Schuss gegeben und setzte voll und ganz auf seine Wirkung. Uns hatte er noch nicht zur Kenntnis genommen.
Ich wollte in den Raum hineingehen, aber das Mädchen hielt mich durch ein Ziehen an der Hand zurück.
»Was ist denn?«
»Den… den Geruch kenne ich.«
Ich schnüffelte. »Wieso?«
»Das ist so ein Parfüm.«
»Danach riecht es meistens in den Garderoben. Nach Parfüm und auch nach Puder.«
»Aber dieser Geruch ist anders, John. Den habe ich auch im Keller gerochen, als der Mann mit der Maske gekommen ist. Und er trug auch die gleiche
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