128 - Der Schläfer
gelassen.
»Unsere Leute werden eben ein paar zusätzliche Schichten fahren müssen.« Er wandte sich an Sarah Kucholsky, die Sprecherin der vier im Rat vertretenen Wissenschaftler. »Ist das für Sie ein Problem?«
»Nein«, antwortete die so fragil wirkende Frau knapp.
Gesicht und Körper waren krebsrot. Da und dort schälte sich die Haut. Sie hatte, so wie vierzig Prozent der Bunkerbevölkerungen, große Probleme mit der Anpassung an das natürliche Sonnenlicht. Keine Creme, kein Sonnenschutz schien zu helfen. »Im Gegenteil!« Sie blickte kurz zu »Seven«
Duncan, mit dem sie eine stille, aber erbittert geführte Feindschaft verband. »Ich denke, dass meine Kollegen hocherfreut sein werden, zum Kampf gegen diese geheimnisvollen Daa’muren beitragen zu können. Und Kapazitäten sind vorhanden.«
Wulf knurrte laut und gähnte dann. Offensichtlich war ihm langweilig.
»Das freut mich zu hören«, sagte Rulfan. »Sir Bryant – ich bitte Sie, die Sicherheitsmaßnahmen im Bunker nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu verstärken. Sir Bryant?«
Rulfan musste schreien, um den Octavian für Innere Angelegenheiten aus seinem Schlummer zu reißen.
»Wer? Wo?« General Bryant Vaughn schreckte aus dem Magnetschwebestuhl hoch. Er versuchte aufzuspringen, plumpste jedoch kraftlos zurück. »Kürassiere an die Front, Panzerdivision eins und zwei an die Flügel, Artillerie Feuer frei! Verdammt, es ist Zeit für den Tee…« Immer leiser werdend, glitt der über 150 Jahre alte Octavian wieder in tiefen Schlummer.
Rulfan sah den Mann fassungslos an. »Kann… kann man nichts dagegen tun?«, fragte er hilflos. »Dieser Mann ist hochgradig senil und eine Gefährdung für seine Umgebung, die er eigentlich schützen sollte.«
Sein Vater seufzte. »Du weißt, dass ein Octavian nur freiwillig auf seinen Posten verzichten oder durch den Tod abberufen werden kann. Die Bunkerverfassung ist unumstößlich, so sehr ich das auch manchmal bedaure. Jedwede Änderung bedarf Einstimmigkeit unter den Octavianen. Und in Grundsatzfragen gibt es immer wieder jemanden, der vernünftigen Argumenten nicht zugänglich ist.«
Er warf einen kurzen Seitenblick auf Major General Duncan, der sich jedoch keineswegs angesprochen fühlte. Er saß ruhig da, lächelte unverbindlich und drehte Daumen.
Zumindest den einen.
Denn der rechte fehlte gänzlich. Links endeten der kleine und der Ringfinger jeweils beim ersten Glied. Ein genetischer Defekt? Die Erinnerung an einen Unfall oder gar an eine Auseinandersetzung?
Kaum jemand wusste es – und die wenigen, die es taten, wie sein Vater zum Beispiel, schwiegen. Zumindest war damit die Herkunft des Spitznamens »Seven« geklärt.
»Kein Wunder, dass der Sabotage Tür und Tor geöffnet ist, wenn dieser senile Tattergreis am Hebel sitzt«, raunte Eve Neuf-Deville. »Wer trägt denn inoffiziell die Agenden der Inneren Sicherheit?«
»Duncan natürlich! Und er wird seinen Platz mit allen Mitteln verteidigen. Wusstest du eigentlich, dass er es war, der den Aufstieg meines Vaters in das Octaviat und seine Bestellung zum Prime vor vier Jahren mit allen Mitteln zu verhindern versucht hat?«
»Still jetzt«, sagte Eve knapp. »Es geht weiter.«
Die Unruhe legte sich. Nur das sonore Röcheln und Schnarchen Sir Bryants war noch zu hören.
Rulfan verbarg seine Irritation so gut wie möglich. »Lassen wir das Problem mit der Inneren Sicherheit für einen Moment beiseite. Lady Sarah – Sie und Ihre Mitarbeiter besitzen also ausreichend Kapazitäten, um sich dem Stirnreif zu widmen? Gut. Dann übergebe ich Ihnen hiermit den Datenträger mit allen bisherigen Erkenntnissen der Londoner Community. Und ich bitte das Octaviat, mir den Auftrag zur Überprüfung der Forschungsarbeiten und der Sicherheitsagenden in Salisbury zu übertragen.«
»Das ist infam!«, rief »Seven« Duncan aus. Er sprang auf, rascher als man es dem übergewichtigen Mann zutraute. »Die Sicherheit obliegt Sir Bryant, und da können Sie sich nicht einfach zwischen die Instanzen drängen. Gehen Sie doch zurück zu Ihren geliebten Barbaren!«
Nun wurde Rulfan laut. »Im Octaviat können Sie meinetwegen Ihre Machtspielchen treiben, Sir Michael«, wetterte er, »doch wir müssen uns Problemen stellen, die weit über diese einzelne Bunkergemeinschaft hinaus reichen. Die Queen hat mich persönlich beauftragt, für einen raschen Erfolg bei der Erforschung des Daa’muren-Relikts zu sorgen. Ich und Miss Neuf-Deville agieren also nicht als
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