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128 - Der Schläfer

128 - Der Schläfer

Titel: 128 - Der Schläfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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kam der Täter – wenn er einer der Vier ist – vielleicht gar nicht auf den Gedanken, dass es noch mehr Sicherheitsmaßnahmen gibt als jene, die sie selbst getroffen haben. Schließlich haben sie ständig diesen trotteligen Bryant als Chef der Inneren Verteidigung vor Augen. Dass die Abwehrmaßnahmen in den Computeranlagen schon vor Jahren oder Jahrzehnten aktiviert wurden, als der alte Knacker durchaus noch bei Verstand war, ist ihm oder ihr vielleicht entgangen.«
    »Dein Vater und Lady Emily sind theoretisch auch unter den Verdächtigen.«
    Rulfan ließ sich mit keiner Regung anmerken, ob und wie Eve ihn mit dieser Bemerkung traf. »Das ist… richtig. Wenn es so wäre, wüssten er oder sie bereits Bescheid, dass wir hinter ihnen her sind.«
    »Wir müssen wirklich auf alles gefasst sein«, sagte Eve fast entschuldigend. »Du solltest niemandem vertrauen. Gibt es eigentlich außerhalb des Octaviats noch jemanden, der die Zugangscodes zum Helixrechner in London kennt?«
    »Mag sein. Das könnte uns sicherlich die Kucholsky beantworten. Aber bevor ich diese Frage stelle, möchte ich einmal die vier Octavian-Wissenschaftler durchleuchten.«
    »Gut, wie du meinst. Wann soll’s losgehen?«
    »Morgen. Acht Uhr.«
    Eve stand auf, warf dem dösenden Wulf einen kurzen Blick zu und verabschiedete sich grußlos.
    Wirklich eine seltsame Frau, dachte sich Rulfan. Er trank den bitter schmeckenden Tee aus.
    ***
    Gu’hal’oori gruppierte ihre Körpersubstanz geringfügig um. Es erforderte ein hohes Maß an Konzentration, um das Aussehen des karnivoren Lebewesens, das sie imitierte, stetig beizubehalten. Vor allem das Fell aus Myriaden feinster Schuppenplättchen lebensecht nachzubilden war kompliziert.
    Sie blickte zu Rulfan. Der Mann schlief. Sein Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig, immer wieder warf er seinen Körper nach links oder rechts.
    Gu’hal’oori kannte diese Symptome bei den Primärrassenvertretern. Ihr schwacher Geist kämpfte besonders in den Nachtstunden mit der virologischen Beeinflussung.
    Sie verstärkte den telepathischen Druck auf Rulfans Geist und spürte zugleich, wie ihre eigene Körpertemperatur anstieg.
    Sogleich presste sie ein wenig Dampf aus den zahlreichen Leibesöffnungen des imitierten Lupa und regulierte so ihren Wärmehaushalt.
    Rulfan leistete Widerstand. Um vollends Gewalt über den Primärrassenvertreter zu gewinnen, musste sie wohl körperlichen Kontakt zu ihm suchen und die Virenverseuchung auffrischen.
    Gu’hal’oori stand langsam auf und imitierte ein Strecken und Gähnen. Sie formte die langen Krallen ein wenig zurück.
    Lärm hätte den hellhaarigen Mann in dieser sensiblen Situation vielleicht aufgeweckt. So behutsam wie möglich sprang sie auf das Schlaflager.
    Rulfan warf den Kopf hin und her. Flüssigkeit stand auf seiner Stirn. Behutsam leckte sie sie ab. Die Zunge des Tieres war äußerst empfindlich und übermittelte eine Vielzahl an Informationen. Sie schmeckte das ausgeschiedene Wasser, versetzt mit Salzen, Mineralien, Eiweißen, Fettsäuren und geringfügigen Mengen an Harnstoff.
    Rulfan wurde ruhiger. Die Berührungen taten ihre lindernde Wirkung und bereiteten zugleich auf die geistige Einflussnahme vor, die jetzt begann.
    Wirre Gedanken begegneten Gu’hal’oori. Erbarmungslos merzte sie sie aus, ließ sie in Vergessenheit geraten, glitt tiefer in die obskure Gedankenwelt des Primärrassenvertreters. Kühl und methodisch suchte sie in dessen Schattenreich nach Zentren, die ihr nützlich sein konnten.
    Da!
    Ein komplexes Bündel an Querverbindungen und Assoziationen. Eigentlich ein Wirrwarr, das Daa’muren gänzlich unbekannt war. Doch die Erfahrungen mit ausgewählten Versuchsobjekten in Marienthal hatten sie viel gelehrt. Lust verquirlte hier mit Angst, Leidenschaft mit unterdrückter Sehnsucht, Wut mit Liebe. Sie sah Bilder entstehen, und sie formte sie für ihre Zwecke um. Ein wenig Reiz hier, kräftiger Druckdort. Gu’hal’oori hob das Zentrumsknäuel der Empfindungen an, ließ alles andere dagegen in den Hintergrund treten. Rasiermesserscharf transplantierte sie es aus dem emotionalen Minenfeld Rulfans, beträufelte es mit den Samen der Gedanken, die sie eingefügt haben wollte, und ließ es behutsam in sein Bewusstsein zurückgleiten.
    Ein einziger Wunsch, ein einziges Bedürfnis beherrschte Rulfan nunmehr. Es war die Libido, die sie zwischen ihren virtuellen Händen umgeformt hatte.
    Es musste nur noch das katalytische Ritual vollzogen werden,

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