1282 - Die Gier der schönen Mumie
hatte. Der rechte Arm war zum Schlag erhoben, und in der Hand hielt er diesen grauen Totschläger, den er mir über den Kopf hatte ziehen wollen.
Er schlug trotzdem zu, auch wenn ich kein so gutes Ziel mehr bot. Natürlich verfehlte mich der Hieb, und so hatte ich Zeit, mich um ihn zu kümmern.
Meine Faust krachte gegen die Knochengestalt. Der Asket flog zurück und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Ich hörte keine Knochen klappern, dafür jedoch einen wütenden Laut von dem Mann auf dem Bett, der seine Chance wieder nutzen wollte und auf mich zusprang.
Er hatte es sich zu leicht machen wollen. Und das bereute er noch im Sprung. Da erwischte ihn meine Waffe an der Stirn und unterbrach auf drastische Art und Weise seine Aktion.
Plötzlich war sein Wille ausgeschaltet. Er verwandelte sich in eine Marionette, der die Fäden gekappt worden waren. Wie ein langer Stein plumpste er zurück und hatte noch das Glück, auf dem Bett zu landen und nicht auf dem Boden.
Ich bekam das nicht richtig mit, weil ich mich um den Knochigen kümmern musste. Askesian wollte auf keinen Fall aufgeben. Zum Glück trug er keine Schusswaffe, er spielte mit dem Totschläger und warf ihn locker von einer Hand in die andere. Er wollte mich damit irritieren, sodass ich nicht wusste, mit welcher Hand er im nächsten Moment zuschlagen würde.
»Lassen Sie es sein!«, sagte ich und zielte auf ihn.
Er stoppte. Er schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir, dass er nichts begriff. Der Mund blieb ebenso weit offen wie seine Augen, und das Grinsen um die Mundwinkel herum wirkte völlig unecht. Dann rutschte ihm der graue Totschläger aus der Hand und fiel zu Boden, wo ich ihn wegtrat. Unter dem Bett blieb er liegen.
Ich bewegte mich zurück, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Der Mann auf dem Bett bewegte sich nicht. Mein Schlag hatte ihn zunächst mal in tiefe Bewusstlosigkeit geschickt, aus der er sicherlich so schnell nicht erwachen würde.
Askesian stand aufrecht vor mir, steif, den Rücken durchgedrückt. Ein stolzer Mann, der durch seine Haltung ausdrückte, dass er nicht aufgegeben hatte.
Da allerdings hatte ich noch ein kleines Wort mitzureden.
»Ich denke, wir beide sollten uns miteinander beschäftigen, und wir sollten es verdammt schnell tun, Herr Askesian.«
»Was wollen Sie?«
»Nur ins Grab!«
Er war Insider und hatte meine Antwort genau verstanden. Das stellte ich am Ausdruck seiner Augen fest.
»Verstanden?«
»Ja.«
»Dann werden Sie mich führen, Askesian, denn ich bin schon immer scharf auf Göttinnen und Prinzessinnen gewesen. Sie sind gewissermaßen mein Hobby.«
Er gab mir keine Antwort. Sekunden später hob er seine knochigen Schultern. Dann drehte er sich um und ging vor mir her.
Alles lief so glatt.
Fast zu glatt für meinen Geschmack…
***
Harry Stahl warf einen Blick in eine fremde und völlig andere Welt. Schon in den ersten Sekunden hatte er das Gefühl, dass es die Vergangenheit geschafft hatte, hier Einzug zu halten. Alles war anders geworden. Die Welt vor ihm strahlte das alte ägyptische Flair aus, daran jedenfalls dachte er, als er sich umschaute.
Er spürte, dass er sich an einer entscheidenden Stelle befand. Sein Blick war auf das gerichtet, das ihm das bläuliche Licht enthüllte, und er sah die breite Altarplatte, auf der zwei Menschen rücklings lagen und sich nicht bewegten.
Ein Mann und eine Frau!
Dirk Schiller kannte er, die Frau war ihm unbekannt. Aber sie musste Helga Struckmann sein, eine andere Möglichkeit gab es für Harry nicht.
Für ihn war diese Entdeckung am wichtigsten, um alles andere würde er sich später kümmern.
Der schnelle Blick in die Runde. Andere Feinde sah er nicht. Er sah auch nicht viel von den Wänden, denn sie waren in eine tiefe Dunkelheit getaucht. Aber er nahm den Geruch wahr. Es roch so, dass er fast gezwungen war, den Atem anzuhalten, weil der Gestank so widerlich war. Alt und modrig, als wäre irgendein Körper dabei, allmählich zu verfaulen.
Bestimmt nicht die beiden regungslosen Gestalten auf dieser steinernen Altarplatte. Der Geruch hatte eine andere Ursache. Er strömte ihm aus einer bestimmten Richtung entgegen, und das konnte nur da sein, wo auch das große Gefäß stand. Es war ein sehr hoher, dickbauchiger Krug, in dem durchaus ein Mensch ein Versteck hätte finden können.
Noch wartete Harry ab. Er war vorsichtig und musste sich einen Gesamtüberblick verschaffen. Die Wände waren dunkel, aber wer genau hinschaute,
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