1282 - Die Gier der schönen Mumie
ein Schaufenster gestellt hätte.
Ich ließ mein Kreuz stecken, ich zog auch nicht meine Beretta, und ich wusste selbst nicht, was mich dabei ritt, aber es war nun mal so.
Sie wollte den Kampf, ich nahm ihn an.
Hinter meinem Rücken stöhnte Harry Stahl meinen Namen. Darauf achtete ich nicht, denn Maruna griff an, und sie wollte mir das Messer quer zur Kehle hinziehen, um sie zu durchtrennen.
Ich duckte mich.
Über meinen Kopf hinweg wischte die tödliche Hand. Der Luftzug ließ einige Haare in die Höhe zucken, dann war ich an der Reihe, und ich war jemand, der nicht zum ersten Mal in einen Messerkampf eingriff.
Als die Hand wieder zurückzuckte, schnellte ich in die Höhe und hatte genau das Richtige getan, denn ich packte den zurückschnellenden Arm am Gelenk, hielt ihn eisern fest und drehte ihn zugleich zur Seite. Ich zerrte ihn bewusst nicht nach hinten, denn ich hatte etwas Bestimmtes mit diesem Wesen vor.
Sie ist kein Mensch, dachte ich. Sie ist so etwas wie ein Zombie! Sie ist eine lebende und auch bösartige Mörderpuppe. Diese Gedanken machten mich frei für die Tat, die vor mir lag.
Ich hatte ihren Arm gedreht.
Nichts bewegte sich in ihrem Gesicht, das ich dicht vor meinem sah. Aber zwischen uns befand sich das alte Messer, und dessen scharfe Seite der Klinge zeigte nicht auf mich, sondern auf ihren Hals.
Ich hielt mich nicht mehr lange auf.
Der heftige Stoß nach vorn, dem Maruna nichts entgegenzusetzen hatte. Sie hatte vorgehabt, mir die Kehle durchzuschneiden, aber das alte Messer erwischte sie.
Ich drückte es tief in den Hals hinein. Immer davon ausgehend, dass ich hier keinen Menschen vor mir hatte.
Trotzdem begann sie zu bluten. Aber es war nicht ihr Blut, wie ich wenig später erfahren sollte. Es war das der Helga Struckmann, das aus dem ziemlich breiten Schnitt sickerte und sofort über ihr Kinn und an ihrem Hals entlang über die Brust herabrann und auf dem hellen Körper eine rote Spur hinterließ.
Maruna blieb stehen. Doch mit dem Blut floss auch die Kraft aus dem Körper, auf die sie gebaut hatte. Kraft bedeutete bei ihr auch Schönheit und Leben.
Sie verlor beides. Die Prinzessin wurde wieder zu dem, was sie hätte sein müssen. Ihre Schönheit hatte nicht lange angedauert. Sie verwandelte sich zurück in eine Mumie, die nicht mehr von haltenden Binden umwickelt war, denn nun zeigte sie ihr wahres Aussehen.
Noch immer stehend, floss sie vor mir auseinander. Und die Haut rieselte ab wie feiner Sand, sodass ihre alten grauen Knochen zum Vorschein kamen und sie vor meinen Augen immer mehr zum Skelett wurde, das nicht mehr die Kraft besaß, sich auf den Beinen zu halten.
Sie fiel zusammen.
Von schabenden Geräuschen begleitet landete das morsche Zeug am Boden und zerbrach dort. Auch der Schädel zerplatzte, und damit war auch die Existenz ausgelöscht.
Nur etwas erinnerte noch an das Grab hier unten im Hotel. Die Bemalungen an den Wänden, aber auch sie würden sich wieder zurückziehen, denn das Tor zur Unterwelt war geschlossen.
Ich drehte mich um. Nein, ich fühlte mich nicht gut, sondern verdammt schlapp.
Harry Stahl saß neben dem Mann am Boden, den er mit dem Messer attackiert hatte.
»Er lebt noch, John.«
Ich nickte nur, denn ich wollte diesen Fall so schnell wie möglich vergessen, wusste jedoch, dass dies nicht so leicht zu schaffen war, denn er hatte zu viele Opfer gekostet, und es würde noch zu einem Nachspiel kommen.
Aber darum musste sich Harry Stahl kümmern. Die Polizeiarbeit zu koordinieren, war nicht meine Sache…
ENDE
Weitere Kostenlose Bücher