1282 - Die Gier der schönen Mumie
er einen gellenden Schrei ausstieß.
Er verlor das Messer.
Es fiel genau vor Harrys Füße.
Das hatte er gewollt. Obwohl Maruna ihn noch festhielt, schaffte er es, sich zu bücken. Er riss das Messer an sich, kam wieder hoch und stieß in der Bewegung mit der Klinge zu…
***
Es war bei mir wie im Film!
Ich sah mich als der große Trapper an, der sich in den Rücken der beiden Wachposten geschlichen hatte, ohne von ihnen bemerkt worden zu sein, weil das, was vor ihnen geschah, viel interessanter war.
Die Nähe war perfekt!
Ich hob den rechten Arm mit meiner Beretta an, und der folgende Schlag erwischte einen Hinterkopf.
Das Zusammenzucken, ein dumpfer, kehlig klingender Laut, dann brach der Mann zusammen.
Der zweite Typ merkte viel zu spät, was los war. Als er sich drehen wollte, war es schon zu spät, da hatte ihn bereits mein nächster Hieb erwischt und er klappte zusammen wie das berühmte Taschenmesser.
Es war keine normale Aktion, beileibe nicht, und trotzdem war sie nicht gesehen worden, weil die richtige Musik vor mir spielte. So hatte ich freie Bahn, aber ich sah auch, dass Harry eingriff…
***
Es gab nur noch die eine Chance für ihn, das wusste Harry. Dieser Hiram war ein Sadist, ein bösartiger Killer, der über Leichen ging, wenn es ihn ans Ziel brachte.
Und jetzt krümmte er sich zusammen und presste seine Hände gegen den Leib, denn dort hatte ihn die Klinge getroffen. Er riss seinen Mund weit auf, aber er schaffte es nicht, einen Schrei auszustoßen. Er erstickte fast daran, und tief in der Kehle kam es zu einem Gurgeln.
Harry stieß kein zweites Mal zu. Sein Arm fuhr herum, denn jetzt wollte er sich um Maruna kümmern. Er war noch nicht fit, aber der Überlebenswille hatte bei ihm die allerletzten Kräfte mobilisiert. Er dachte an seine tote Nachbarin und daran, wie Maruna überhaupt hatte leben können.
»Jetzt du!«, brüllte er und hieb kraftvoll mit seiner Waffe von oben nach unten zu.
Harry war davon ausgegangen, den Kopf zu treffen, aber Marunas freie Hand wischte in einer locker anmutenden Bewegung nach oben, und plötzlich umspannten ihre Finger auch das zweite Handgelenk des Mannes und hielten eisern fest.
Sekundenlang erstarrte die Szene, als hätte jemand einen Film angehalten.
Es sah aus, als wollten beide herausfinden, welche Kräfte stärker waren. Harry sah das glatte Gesicht dicht vor sich. Nichts bewegte sich darin. Im Gegensatz zu seinem Gesicht, in dem die Züge regelrecht entstellt waren, weil sich die immense Anstrengung dort abmalte. Er hatte einen Gegner aus dem Weg geschafft, er wollte auch die verfluchte Prinzessin zur Hölle schicken, aber er hatte ihre Stärke unterschätzt. Sie war im normalen Sinn kein Mensch mehr. Sie war eine Kreatur, die es nicht geben durfte, irgendwo auch ein Zombie, und sie war mit ungeheurer Kraft ausgestattet.
Mit einem Tritt erwischte sie Harrys Beine. Harry schrie vor Schreck auf, weil er sich nicht mehr halten konnte und plötzlich in der Luft lag.
Sie ließ ihn los.
Harry landete auf dem Rücken. Er stieß auch mit dem Hinterkopf gegen den harten Boden, nicht besonders fest, doch in seinem Zustand hinterließ der Aufprall einen explodierenden Sternenhimmel vor seinen Augen. Er zuckte in alle Richtungen weg und nahm Harry die Übersicht. Er merkte nur, dass er die Waffe nicht mehr hielt. Maruna hatte sie ihm entrissen, und er brauchte wirklich nicht lange zu raten, was sie damit vorhatte.
An ihr klebte noch das Blut des Hiram Pestel, als sie das alte Messer anhob.
In Topform hätte Harry noch wegkriechen können. Das gelang ihm jetzt nicht. Diese Person würde auf ihn fallen und ihm das alte Messer in den Leib rammen, ohne dass er sich dagegen wehren konnte…
***
Genau das erkannte auch ich. Jetzt war es wirklich wie im Drehbuch, wo der Retter quasi im letzten Augenblick auf der Bildfläche erscheint, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.
Ich fiel der Nackten in den Arm.
Sie hatte mich noch im letzten Moment wahrgenommen, aber sie kam nicht mehr aus meiner Reichweite weg. Ich packte mit beiden Händen ihren Waffenarm und riss sie von Harry Stahl weg.
Normal gehen konnte sie nicht. Maruna stolperte zur Seite, sie stieß gegen den Steinaltar und hatte danach Mühe, sich wieder zu fangen.
Da war ich bereits bei ihr.
Noch immer hielt sie das alte, blutige Messer fest. Ich sah ihre Schönheit, aber ich sah zugleich auch ihre Kälte. Das hier war kein Mensch, das war eine Puppe, die lebte, obwohl man sie besser in
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