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1285 - Das Spiel des Lebens

Titel: 1285 - Das Spiel des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sie sich erhob, stieg blaugrauer Rauch in den klaren Himmel.
    Unwillkürlich schob ich die Hand in die Tasche, in der ich das kleine, mehrfach gefaltete Stück Folie verwahrt hatte. „Ich bin Roi Danton", stand darauf. Würde es mir dort, wo ich jetzt hinging, noch etwas bedeuten?
     
    *
     
    Es war ein klarer Tag. Die Luft war frisch und kühl und roch nach Herbst. Ich setzte den Wanderstock kräftig ein und sah zu, daß ich so rasch wie möglich vorwärts kam. Ich hatte in der vergangenen Nacht nur wenig geschlafen. Bei Sonnenaufgang war ich schon auf den Beinen gewesen. Ich sehnte mich nach einem warmen Bad und einem weichen Bett, und dort, hinter der Bergnase, die sich ins Tal hineinschob, würde ich beides bekommen.
    Den Türmen der Burg, die über das rote und gelbe Laubwerk der Bäume emporragten, schenkte ich keine Beachtung. Womöglich saß zur Rechten oder zur Linken einer von Targiivs Spähern in der Deckung des Waldes. Er wäre mißtrauisch geworden, hätte ich mich allzu sehr für die Burg interessiert. Es war ohnehin das Vorwerk, das hier auf der Westseite des Berges zu sehen war. Die eigentliche Burganlage befand sich auf dem Osthang über der Stadt Ich blieb stehen und klopfte mit dem Wanderstock ein paar Föhrennadeln vom Mantel. Ich hatte im Freien geschlafen, und ein paar Spuren waren noch immer zu sehen. Der Anblick des Kleidungsstücks erfüllte mich mit Gram. Ziemte es sich für den Sohn eines Freigrafen, in derart schäbigen Kleidern gesehen zu werden? Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß ich andere Gewänder würde anlegen können, sobald ich Denguon erreicht hatte. Fürs erste kam es darauf an, daß ich den Eindruck eines Wanderers machte, der inkognito reist. Jeder, den es anging, sollte wissen, daß Sortuun von Tjann in geheimer Privatangelegenheit reiste. So würde sich das Mißtrauen des Tyrannen am ehesten besänftigen lassen. Ich konnte keine Aufpasser gebrauchen, wenn ich mich mit Wrash in Verbindung setzte.
    Ich war ein wenig verwirrt. Mehrmals hatte ich mich dabei ertappt, wie ich mich umwandte und ein paar Worte in die kühle Morgenluft sprach, als hätte ich einen Begleiter. So war mir in der Tat zumute. Wenn ich die Gedanken wandern ließ und nicht auf meine Umgebung achtete, entstand in meinem Bewußtsein der Eindruck, es sei ein Gefährte an meiner Seite. Dabei war ich den ganzen Weg von Tjann, zweihundert Meilen insgesamt, allein gewandert. Mein Anliegen vertrug keine Begleitung. Immerhin ging es um die Kontaktaufnahme mit der Knospe des Pfirsichs. Nun, vermutlich gab es eine ganz natürliche Erklärung. Das Essen, das ich gestern Abend zu mir genommen hatte, war verdorben gewesen oder der Wein schlecht. Vielleicht hatte ich auch auf zu kaltem Boden geschlafen und mir ein leichtes Fieber zugezogen.
    Als ich die Bergnase umrundet hatte, sah ich die Stadt vor mir liegen. Es war nicht das erstemal, daß ich Denguon zu sehen bekam; dennoch beeindruckte mich das Bild. Die Stadt lag eingebettet in einen mächtigen Talkessel. Wer aus Westen kam wie ich, der sah Denguon von leicht überhöhter Warte. Er blickte über die zyklopischen Mauern der Stadtbefestigung hinweg in das Meer der Häuser, das Gewirr der Straßen. Weit über einhunderttausend Einwohner sollte Denguon zählen.
    Ich schritt die sanft geneigte Straße hinab. Ein paar Fuhrwerke kamen mir entgegen - Bauern, die auf dem Weg in den Wald waren, um Holz zu schlagen. Sie grüßten mich mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Mißtrauen. Sie wußten nicht, was sie von mir zu halten hatten. Die schäbige Kleidung paßte nicht zu dem silbernen Degengriff, der durch den Schlitz des Mantels ragte. Adelige, Offiziere und Räuber trugen Degen. Offiziere trugen außerdem Uniformen, und ein Räuber würde wohl nicht so dumm sein, sich am helllichten Tag vor den Toren von Denguon zu zeigen. Also müßte ich eigentlich zum Adel gehören, aber Adelige gingen nicht in zerschlissenen Gewändern einher.
    Das hohe Tor des Westens ragte vor mir auf. In der Breiten Durchfahrt lungerten ein paar bewaffnete Söldner, erkenntlich an ihren blaugelben Wämsern und den weinroten Pluderhosen. Einer trat in die Mitte der Durchfahrt, stemmte den Schaft seiner Hellebarde in den Grund und sah mir mit finsterem Blick entgegen.
    „Wer kommt, und wohin geht sein Weg?" fragte er, als ich ihm bis auf fünf Schritte nahe gekommen war.
    „Ein müder Wanderer", antwortete ich. „Denguon ist sein Ziel."
    Meine Antwort gefiel ihm nicht.
    „Müde Wanderer

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