1285 - Das Spiel des Lebens
stets beiseite. Er war ein Kämpfer, und es spielte keine Rolle, welchen Namen er sich dazu gab. Wenn das große Spiel begann, würde er ohnehin ein anderer sein. Die Lust am Kampf pochte in den Strängen seiner Körpersubstanz, in den Synapsen seines Bewußtseins. Seine Ungeduld wuchs.
Von seinem Quartier in der Hohen Schule des Nordens hatte er die Vorspiele beobachtet. Es war nicht schwer zu entscheiden, welches die ernstest zu nehmenden Gegner waren. Er hatte die beiden Vironauten gesehen, wie sie ihre Widersacher überlisteten. Sie waren gefährlich. Wer auch immer sie für würdig gehalten hatte, die Faust des Kriegers zu empfangen: Er hatte seine Gabe nicht an Unwürdige verschwendet. Die Vironauten kämpften unorthodox. Sie richteten sich nicht nach den Vorschriften des Kodex. Keinen einzigen Zusatzpunkt für Kodextreue hatten sie während ihrer drei Vorspiele eingeheimst. Sie gingen dem Kampf aus dem Weg. Von Gehorsam hielten sie nichts, und Ehre schien für sie ein flexibler Begriff. Aber sie siegten.
Er würde es mit ihnen zu tun bekommen. Er wollte ihnen beweisen, daß List und Tücke gegen wahre Kodextreue nichts auszurichten vermochten. Nach den Gesetzen der Krieger würde er sie schlagen, und überall in den Zwölf Galaxien würde man seinen Namen preisen.
Seinen Namen...?
Volcayr, der Elfahder.
Er erinnerte sich schwach an die Verwirrung, die er empfunden hatte, bevor Graucum, der Panish Panisha, sich seiner angenommen und ihm die längst überfällige Dosis Estartu-Atems verschafft hatte. Er war an sich selbst verzweifelt, hatte die Weisheit des Kriegers in Frage gestellt und sich nach Elfahd, seiner Heimatwelt gesehnt. Selbst nachdem er Estartu eingeatmet hatte, war ihm noch zumute gewesen, als hätte er zuviel des Atems der Mächtigen zu sich genommen und müsse daran sterben. Welch lächerliche Idee! Estartu war die Gütige, und die Ewigen Krieger vermittelten ihre Güte.
Wie kam es dann, daß noch immer ein kleiner Zweifel an ihm nagte? Da war die kleine Stimme wieder, die ihm einreden wollte, sein Geist werde sich verwirren.
Er wurde in seiner Grübelei unterbrochen. Ein Panish meldete sich an. Es war Nasar Mukji, der sich in den vergangenen Tagen mit besonderem Eifer um ihn gekümmert hatte.
Er näherte sich dem Elfahder mit Ehrfurcht.
„Die Zeit ist gekommen, großer Kämpfer", sagte er.
„Das Spiel des Lebens beginnt?" fragte Volcayr voller Eifer.
„So ist es. Ich habe den ehrenvollen Auftrag, dich zur Residenz des Despoten Targiiv zu bringen."
Volcayr wußte nicht, wer der Despot Targiiv war. Wenn er dieser Kenntnis bedurfte, würde sie ihm beizeiten vermittelt werden. Wichtig war allein, daß das Spiel begann.
„Laß uns gehen und keine Zeit verlieren", herrschte er Nasar Mukji an.
2.
Ich hatte eine unruhige Nacht verbracht. Von Demeter geträumt, lauter wirres Zeug. Ich sehnte mich nach ihr. Zehn Tage lang hatte ich sie nicht mehr in den Armen gehabt.
Dabei trennten uns nur ein paar lächerliche tausend Kilometer. Demeter war an Bord der LOVELY BOSCYK, die zusammen mit den übrigen Virenschiffen im Orbit um Mardakaan kreiste.
Das Frühstück fiel dementsprechend karg aus. Ich hatte keinen Appetit. Wenn nur das verdammte Spiel des Lebens endlich vorbei wäre! Natürlich bestand die Möglichkeit, daß Ron und ich verloren. Verlierer wurden üblicherweise zur Zwangsarbeit im Dienst der Planform-Architekten verpflichtet. Ein ganzes Mardakaan-Jahr dauerte die Fron, elf lange Standardjahre. Aber ich glaubte nicht daran, daß man den Trägern von Kriegerfäusten eine solche Schmach antun würde. Ich rechnete fest damit, daß ich eine Stunde nach Beendigung des Spiels, egal ob wir es gewannen oder verloren, wieder bei Demeter war.
Tomkan und Veedro erschienen heute bemerkenswert früh zur Morgenvisite. Inzwischen war auch Ronald Tekener in meinem Quartier eingetroffen. Er machte auf forsch, aber ich spürte, daß ihm alles andere als fröhlich zumute war. Er litt an derselben Krankheit wie ich. Jennifer Thyron befand sich seit zehn Tagen an Bord der LASHAT, ebenfalls nur ein paar tausend Kilometer entfernt.
An der Art, wie die beiden Unparteiischen sich gaben, merkte man gleich, daß sie etwas Besonderes auf dem Herzen hatten.
„Heute ist ein wichtiger Tag", sang Veedro.
„Das Spiel des Lebens beginnt", intonierte Tomkan.
„Das hat man uns nicht früher sagen können?" grollte Ronald Tekener.
Es drängte ihn, seinen Mißmut an jemand auszulassen. Er war von
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