1285 - Das Spiel des Lebens
wirkte erschöpft. Von Ijarkor angesprochen zu werden, war für ihn offenbar eine Anstrengung.
Ich begegnete, Ronald Tekeners Blick. Wir waren, im Grunde genommen, gut davongekommen. Aber es war dringend notwendig zu erfahren, was es mit dem Status eines Toshin auf sich hatte. Auf keinen Fall durften wir Reginald Bull und Irmina Kotschistowa im Stich lassen.
*
Außer den Augen und dem Mund konnte er nichts bewegen. Er erinnerte sich: Nach Irmina Kotschistowas kurzem Besuch hatte er sich auf der Liege ausgestreckt und war eingeschlafen. In der Zwischenzeit mußten sie irgend etwas mit ihm angestellt haben.
Wahrscheinlich hatten sie ein lähmendes Gas in das Klimasystem geleitet. Das war die einfachste Methode. Seine fünf Sinne funktionierten einwandfrei. Er befand sich nicht in Gefahr. Aber sie hatten etwas mit ihm vor. Erfragte sich, was es sein mochte.
Er hörte eine Tür gehen. Ein großer Robot tauchte in seinem Blickfeld auf. Er bewegte sich schwebend und war mit einer Plattform für den Transport von Lasten ausgestattet.
Feingliedrige, mechanische Hände griffen nach Reginald Bull und hoben ihn von der Liege. Er wurde auf die Plattform geladen.
„Wohin bringst du mich?" fragte er, aber der Robot gab keine Antwort.
Er glitt davon. Bull sah Wände und Decken an sich vorbeigleiten. Er wollte sich orientieren, aber da erden Kopf nicht bewegen konnte, war sein Blickfeld zu klein. Die Gänge, durch die der Robot ihn transportierte, waren leer und verlassen. Er bewegte sich durch einen abgelegenen Teil des Gebäudes. Schließlich glitt er unter dem Rahmen einer hohen, breiten Tür hindurch. Der Raum, in den er gelangte, war nur spärlich beleuchtet.
Eine matte, rötlich getönte Deckenlampe erfüllte ihn mit dämmrigem Licht. Der Roboter sank zu Boden. Das Summen des Antriebs erstarb.
Stimmen klangen auf. Jede schien ihre eigene Melodie zu singen, aber die Melodien fanden nach kurzer Zeit zueinander, vereinigten sich und wurden zu einer Musik, die Reginald Bull mit innerer Ruhe erfüllte. Die Sänger von Ophal, ging es ihm durch den Sinn. Er spürte die Plattform unter dem Rücken nicht mehr. Er glaubte, frei zu schweben.
Ein Gefühl entspannter Leichtigkeit machte sich in ihm breit.
Der Gesang entschwand in der Ferne. Eine Zeitlang war es still. Dann begann eine Stimme zu sprechen. Sie klang emotionslos und sachlich. Es schien die Stimme eines Mannes zu sein, aber wahrscheinlich war sie synthetischen Ursprungs. Einen Augenblick lang glaubte Bull, zierliche, mechanische Arme am Rand seines Blickfelds auftauchen zu sehen. Er spürte eine Berührung an der Stirn. Aber er konnte nicht darauf achten. Er mußte der Stimme zuhören.
„Du bist ein Geächteter, ein Toshin. Du wirst das Mal der Ächtung auf der Stirn tragen, und niemand kann es entfernen. Unternimm keinen Versuch, das Mal zu ändern oder zu manipulieren. Es wird explodieren und dich in Stücke zerreißen, wenn du dich an ihm zu schaffen machst oder Zuläßt, daß ein anderer damit experimentiert. Es wird auch explodieren, wenn du versuchst, den Bereich der Zwölf Galaxien zu verlassen. Solange du das Mal trägst, wirst du in der Mächtigkeitsballung Estartu bleiben müssen. Das Mal erlischt nach neun Mardakaan-Jahren, das sind einhundert Jahre deiner Zeitrechnung.
Danach bist du frei zu gehen, wohin dir beliebt.
Das Dasein eines Toshin ist kein einfaches, aber zum Toshin erklärt zu werden, ist milder, als wenn man dich zum Tode verurteilt hätte. Alle Völker der Mächtigkeitsballung werden dich wie einen Ausgestoßenen behandeln. Deine Bewegungsfreiheit unterliegt keiner Einschränkung - mit Ausnahme dessen, was ich zuvor gesagt habe. Du kannst gehen, wohin du willst, dich aufhalten, wo es dir gefällt. Du mußt dich nur damit abfinden, daß dich jeder wie einen Geächteten behandeln wird. Das ist deine Strafe für den Frevel gegenüber dem Kodex. Der Krieger Ijarkor hat gerecht und dennoch milde geurteilt."
Für den Bruchteil einer Sekunde spürte Reginald Bull einen scharfen, brennenden Schmerz auf der Stirn. Dann verlor er das Bewußtsein.
Als er wieder zu sich kam, ruhte er auf der Liege, von der der Roboter ihn weggeholt hatte. Er empfand einen sanften Druck auf der Stirn. Er stand auf und ging zum nächsten Spiegel.
Auf der Stirn trug er ein dunkelrotes Mal. Es war kreisrund und hatte den Umfang einer kleinen Münze. Er hob die Hand und versuchte, das Mal zu berühren. Er spürte nichts Außergewöhnliches. Die Substanz
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