1286 - Todesruf der Geisterfrau
Adresse zu nennen, daran konnte er sich zumindest noch erinnern. Danach hatte er den berühmten Filmriss gehabt und wunderte sich schon, in seinem eigenen Bett zu liegen.
Nur etwas war anders als sonst.
Zwar fehlten ihm die Schuhe, aber normalerweise schlief er nicht in voller Montur. Hier lag er in Hemd und Hose im Bett. Die Lederjacke trug er nicht mehr. Entweder hatte er sie verloren, oder sie war ihm ausgezogen worden.
Alles lief falsch. Auch jetzt noch. Der Kopf schien sich in eine Schreinerei verwandelt zu haben, in der gesägt und gehämmert wurde.
»Nie mehr«, flüsterte Bill mit einer Stimme, die er im nüchternen Zustand wohl nie als seine eigene identifiziert hätte, »nie mehr gebe ich mir so die Kante…«
Auch das Sprechen hatte ihn angestrengt. Er griff zur Seite, wo seine Frau Sheila normalerweise lag.
Die Hälfte des Betts war leer. Damit nicht genug. Er fühlte nicht mal das Oberbett unter seinen Fingern, sondern nur das Laken. Für ihn war es ein Beweis, dass seine Frau ausgezogen war, um ihn nicht zu ertragen. Das galt auch für die Luft. Er hatte den Geruch der Bar mit ins Schlafzimmer gebracht, was Bill allmählich peinlich wurde.
Dunkel war es auch nicht im Raum. Das Rollo zeigte Lücken, durch die das Tageslicht dringen konnte, und diese Helle tat ihm ebenfalls nicht gut. Da war es besser, wenn er die Augen schloss und einfach weiterschlief. Wenn Sheila dann kam und nachschaute, würde er so tun, als wäre er noch in Tiefschlaf versunken.
Schlimm war auch der Nachdurst, aber es stand leider keine Wasserflasche an seinem Bett, die ihm ein guter Engel gebracht hatte. Er stellte sich schon Sheilas Gesicht vor, wenn sie auf der Türschwelle stand, und er konnte sich auch ihre Kommentare denken.
Bill wollte gar nicht erst wissen, wie spät es war. Am liebsten weiterschlafen, bis es wieder dunkel wurde und sich langsam die Säufersonne - der Mond - zeigte.
Augen schließen. Die Schmerzen vergessen, das wäre am besten gewesen, und genau das versuchte Bill auch. Bis er plötzlich mit einem Schrei auf den Lippen in die Höhe fuhr und das Gefühl hatte, sein Schädel würde in mehrere Teile zerhackt werden.
Jemand hatte hart an die Tür geklopft. Diese Geräusche waren Gift für seinen Zustand. Er begann zu jammern. Das nutzte ihn auch nichts, denn jemand riss die Tür mit einer harten Bewegung auf, und eine Sekunde später stand sie auf der Schwelle.
Sheila! Die Rachegöttin. Die Frau mit dem eiskalten Blick, die so weich lächeln konnte, wobei dieses Lächeln ihm wie ein Nadelstich unter die Haut drang.
Bill drehte behutsam den Kopf. »Nichts sagen«, flüsterte er, »und auch nichts tun – bitte…«
»Wieso?«
»Nicht so laut sprechen.«
»Das mache ich auch nicht. Ich wollte nur nachschauen, ob du noch lebst und wollte dich außerdem fragen, ob ich dir einen Eimer bringen soll. Wäre ja möglich…«
»Ich kann nicht brechen«, flüsterte Bill. »Das würde ich gerne, aber ich schaffe das leider nicht. Ich… ich… oh mein Kopf.«
»Dann wird es am besten sein, wenn du aufstehst. Schließlich ist der Mittag schon vorbei.«
»Ich gebe mir heute frei.«
»Komm, steh auf.«
»Hast du denn kein Mitleid?«, jammerte Bill und verzog das Gesicht. »Kein bisschen?«
»Das habe ich nicht, mein Lieber. Wer sich die Kante geben kann, der sollte auch in der Lage sein, am anderen Tag aufzustehen.«
»Ja, schon… aber nicht sofort.«
»Los, hoch mit dir.«
Sheila betrat das Zimmer. Sie brachte ihr Oberbett gleich mit und warf es auf das Bett. Dann zog sie das Rollo ganz hoch und öffnete das Fenster. »Der verdammte Kneipengeruch muss endlich mal raus hier.«
Bill wollte protestieren und ließ es besser bleiben. Wenn Sheila sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte, führte sie das auch durch. Da kannte sie kein Pardon.
»Du weißt ja, wo die Dusche ist«, sagte sie lächelnd und schwebte locker am Fußende des Betts vorbei in Richtung Tür. »Danach kannst du zu mir in die Küche kommen. Dort habe ich schon alles für dich bereitgestellt.«
»Was denn?«
»Einen Cocktail.«
Bill wunderte sich, dass er noch schreien konnte. »Nur das nicht, nein, um Himmels willen. Ich…«
Lachend verschwand Sheila aus dem Schlafzimmer und ließ ihren Mann allein zurück, der sich herumwälzte und gegen das offene Fenster schaute. Natürlich war es längst heller Tag geworden, aber so hell war der Tag nun auch wieder nicht. Der Himmel zeigte eine Schicht aus Wolken, die allerdings nicht so
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