1286 - Todesruf der Geisterfrau
weitergehen soll.«
»Warten?«
»Worauf? Dass wir die Stimmen wieder hören?«
»Ja, das wäre nicht schlecht.«
Ich dachte anders darüber. »Ich bezweifle, dass wir das Glück haben werden.«
»Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als diesen ungastlichen Ort hier zu verlassen und eine kleine Runde über den Friedhof zu drehen. Irgendwann müssen wir ja mal Glück haben.«
»Das sehe ich auch so.«
Suko sagte nichts. Stattdessen senkte er den Kopf.
»Was ist los?«
»Ich weiß nicht, wie ich es loswerden soll, John, aber ich habe einfach das Gefühl, dass wir hier einen Fall erleben, der uns noch manche Überraschung bereiten kann. Alles sieht so einfach aus. Nur will ich daran nicht glauben. Es ist kompliziert und…«
So kannte ich ihn nicht. Aufmunternd klopfte ich gegen seinen Rücken. »Wenn wir hier stehen und weiterhin darüber sinnieren, bringt uns das auch nichts. Wir müssen schon etwas tun.«
»Du hast Recht, John!«
***
Beinahe wäre es passiert!
Im letzten Moment hatte Sheila Conolly dem Motorradfahrer ausweichen können. Er war plötzlich da gewesen wie ein bleiches Gespenst, aber sie hatte es geschafft, ihm auszuweichen, war über den Gehsteig gefahren und hatte im letzten Moment das Lenkrad nach rechts drehen können, um nicht gegen einen Laternenmast zu fahren.
Es war geschafft. Sie fuhr wieder auf der Straße. Der Albtraum der letzten Sekunden verschwand, nur das Zittern blieb, weil die Nerven wieder verrückt spielten. Im Nachhinein wusste Sheila, dass es ihre Schuld gewesen war. Sie war einfach zu schnell gefahren und war dabei noch auf die falsche Seite geraten.
Das darf dir nicht mehr passieren!, hämmerte sie sich ein. Du musst dich zusammenreißen!
Es war leichter gesagt als getan, denn die Angst um Bill machte sie fast verrückt. Sie wusste nicht viel, aber das Wenige, das ihr auch durch die Aussagen einer Gilda bekannt war, ließ das Schlimmste befürchten. Gildas Bruder war in den Bann einer unheimlichen Frau geraten. Da konnte ein Mann noch so stark sein, wenn andere Kräfte mit im Spiel waren, konnte der Mensch sich nicht dagegen wehren.
So war es auch Bill ergangen. Der Bann dieser Frau war zu stark gewesen, so stark, dass er alles andere vergessen hatte. Seine Familie, sein bisheriges Leben, einfach alles.
Sheila kannte die Strecke. Auch jetzt fuhr sie schnell. Hin und wieder schaltete sie das Fernlicht ein, wenn es möglich war. Der Mini kam ihr jetzt vor wie ein Käfig, den sie so leicht nicht verlassen konnte.
Das Gefühl, gefangen zu sein, würde erst weichen, wenn sie Bill wieder heil und gesund vor sich sah.
Und sie würde um ihn kämpfen. Ja, sie würde alles einsetzen, um Bill wieder zurückzubekommen.
Noch etwas schoss ihr durch den Kopf. Sie sah es als einen Fehler an, den sie jetzt nicht mehr zurechtbiegen konnte. Es ging natürlich um ihren Mann, doch sie hätte sich nicht allein auf den Weg machen sollen, sondern seine Freunde John und Suko alarmieren müssen. Jetzt war es zu spät. Nun musste sie den beschwerlichen Weg allein gehen.
Der Friedhof war ziemlich groß. Es gab auch nicht nur einen Eingang. Sheila lenkte den nächsten an.
Davor gab es sicherlich einen Parkplatz, den sie auch erreichte.
Er war völlig finster. Nur die Scheinwerfer des Minis schufen geisterhafte Bahnen, und die erwischten nach einer Kurve auch ein Ziel.
Da stand der Porsche!
Sheila wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte oder nicht. Sie sah es als positiv an, denn jetzt wusste sie, dass ihr Mann zum Friedhof gefahren war.
In den letzten Minuten hatte sie sich wieder einigermaßen fangen können. Damit war es nun vorbei.
Wieder begann sie zu zittern, und das Blut rauschte durch ihren Kopf. Sie stieg aus und merkte, wie wackelig sie auf den Beinen war. Der Friedhof lockte sie, auch wenn er ein düsteres Gelände umgab, über das hin und wieder bleiches Mondlicht strich, das sich in den Kronen der Bäume verfing.
Zuerst wollte sie im Porsche nachschauen. Sie merkte sofort, dass der Wagen nicht verschlossen war. So etwas gefiel ihr nicht, denn es war nicht Bills Art.
Einiges war hier faul. Aber sie dachte auch an Helena und zugleich an ihren Mann. Wahrscheinlich hatte er es nicht mehr erwarten können, zu ihr zu kommen, und deshalb hatte er alles über Bord geworfen, was ihm einst wichtig gewesen war.
»Mein Gott«, flüsterte Sheila unter Tränen, »was machst du nur, Bill? Was ist los?«
Sie stand mit zitternden Knie auf der Stelle, doch der dunkle
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