1288 - Das unheimliche Mädchen
keine Beweise hatte. Man musste einen Sündenbock haben, den hatte man gefunden, und ich hätte wohl nie von ihr gehört, hätte es da nicht einen Anwalt gegeben, der früher mal Mönch war, dann aber ins weltliche Leben zurückkehrte. Er hat mir von Gabriela berichtet und mir einiges über sie erzählt, das jetzt nicht wichtig ist.«
»Was ist denn dann wichtig?«, fragte ich.
Ignatius runzelte die Stirn. »Etwas, das mit dem Feuer zu tun hat«, sagte er leise. »Gabriela hat ihrem Anwalt erzählt, dass sie durch ein Feuer gehen kann, ohne sich zu verbrennen.« Er lächelte etwas verlegen. »Ja, ihr wird kein Haar gekrümmt. Die Flammen tun ihr nichts, und nur so hat sie auch die beiden Kinder retten können.«
»Und das hat der Anwalt geglaubt?«
»Zunächst nicht. Dann jedoch hat sie ihm den Beweis geliefert, und da sind ihm die Augen übergegangen. Sie hat sich sein Feuerzeug geben lassen und ließ die Flamme erst über ihre Hand und dann über ihr Gesicht streichen…«
Ignatius ließ das Ende offen. Er wusste, was ich sagen würde, und hatte sich nicht getäuscht. »Sie hat sich nicht verbrannt.«
»Stimmt, John. Das Feuer konnte ihr nichts anhaben. Mehr kann ich dazu nicht sagen, aber ich muss dem Zeugen glauben. Die Flamme tat weder ihrer Hand noch ihrem Gesicht etwas. Genau das ist das Phänomen, das auch den Anwalt geschockt hat. Er erinnerte sich daran, wer er mal war und wandte sich an die Kirche. Du weißt ja selbst, auf welch einem Gebiet ich arbeite. Es war praktisch eine Folge davon, dass unsere Organisation informiert wurde.«
»Dann hast du dich reingehängt?«
»Ein wenig«, gab er bescheiden zu.
»Hör auf, Ignatius, ich kenne deinen Einfluss. Ich weiß auch, wer und was hinter dir steht, und da du mich gerufen hast, siehst du das nicht als eine Täuschung ihrerseits an.«
»Genau so ist es. Gabriela ist eine besondere Person. Sie besitzt Fähigkeiten, die ich als paranormal umschreiben möchte. Ihr Körper ist resistent gegen Feuer, obwohl ich selbst noch kein Zeuge geworden bin. Aber ich glaube es. Diese junge Frau ist etwas Besonderes. Ich glaube nicht, dass sie die Brände bewusst gelegt hat, aber sie hat meiner Ansicht nach etwas damit zu tun.«
»Ja«, sagte ich leicht gedehnt, »und was soll ich jetzt tun?« Ich drehte die leere Kaffeetasse. »Soll ich sie testen? Soll ich mit ihr reden? In den Knast gehen?«
»Eigentlich nicht.«
Ignatius machte es wieder spannend, und ich verdrehte die Augen. »Was dann?«
»Wir oder ich«, sagte er mit leiser Stimme, »haben unsere Beziehungen spielen lassen. Ich weiß ja, dass mehr hinter diesem unheimlichen Mädchen steckt als eine Pyromanin. Das ist etwas für dich, John, verstehst du?«
»Sprich ruhig weiter.«
»Nun ja, durch den leichten Druck haben wir erreicht, dass Gabriela morgen entlassen wird.«
»Ach«, staunte ich, »man lässt sie frei?«
»So ist es.«
»Wieso dass denn? Wenn man ihr schon… ich meine, das muss mit Auflagen verbunden sein.«
»Richtig geantwortet.«
Ich hatte einen bestimmten Verdacht, sprach ihn jedoch nicht aus, sondern fragte: »Wie sehen diese Auflagen denn aus, Ignatius?«
»Gabriela muss unter Kontrolle bleiben. Es muss einen Menschen geben, der sie praktisch bewacht.«
»Und das soll ich sein?«
»Ja!«
Jetzt war es heraus, und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
Ich saß meinen Freund Ignatius gegenüber und bewegte mich zunächst nicht, aber meine Gedanken befanden sich auf dem Weg in die Vergangenheit. So etwas Ähnliches hatte ich schon mal erlebt. Damals hatte noch der Abbé Bloch gelebt und war Anführer der Templer gewesen. Er hatte mich darum gebeten, auf Clarissa Mignon Acht zu geben, die den Kontakt mit den Engeln bekommen hatte. Sie war mir allerdings genommen worden, denn letztendlich war sie von Elohim, dem Jungen mit dem Jenseitsblick, in eine andere Welt gezogen worden. [1]
Man macht einiges oft mehrmals im Leben durch, und dieser Fall schien ähnlich zu laufen.
Ignatius schaute mich aus seinen ruhigen Augen an. »Woran denkst du jetzt, John?«
»An die Vergangenheit, in der ich mal den Leibwächter eines jüngeren Mädchens gespielt habe.«
»Erzähle mir davon.«
Ich fasste die Geschichte in kurzen Worten zusammen, und Ignatius hörte mir aufmerksam zu.
Schließlich schüttelte er den Kopf. »Ich glaube nicht, John, dass es in diesem Fall ebenso laufen wird. Nein, der Meinung bin ich nicht.«
»Kann man es wissen?«
»Beide Personen sind zu
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