1289 - Sterntagebuch
Siom Som."
*
Zweitausend Jahre Gefangenschaft. In einer fremdartigen, unwirklichen Welt, in der man selbst zu einem anderen wurde. Keine Atempause zu haben, einen ständigen Überlebenskampf führen zu müssen ... Ich versuchte mir solch ein Leben vorzustellen, um Veth besser verstehen zu können, eine Entschuldigung für sein Verhalten zu finden.
Natürlich konnte ich mir keine Vorstellungen davon machen, was er durchgemacht haben mußte. Aber ich sah ein, daß diese Erlebnisse ihn geprägt hatten. Er konnte gar nicht anders, als überall nur Feinde zu sehen.
Ich hätte herausfinden können, wie Veth Leburian früher gewesen war. Aber ich entschloß mich, ihn so zu nehmen, wie er war, und auch so mit ihm zurechtzukommen.
Wenn er mir weiterhin mißtraute, so zeigte er es nicht. Er erzählte mir während des Fluges nach Siom Som von seinen Abenteuern in den Labyrinthen, obwohl er mir die schrecklichsten Details ersparte.
Als ich ihn nach seiner Vergangenheit und seinem Leben in Siom Som fragte, schilderte er mir die Funktionsweise der Heraldischen Tore in allen Einzelheiten und prangerte sie in geradezu fanatischem Eifer als Gefahr für die ganze Galaxis an. Das alles war überaus interessant, und ich mußte Veth voll und ganz beipflichten, daß die Politik des Permanenten Konflikts irgendwann in den Untergang führen mußte. Aber was ich wirklich von ihm erfahren wollte, nämlich Persönliches aus seinem Leben, das verstand er zu verschweigen.
Um ihn etwas aus der Reserve zu locken, begann ich über mich zu erzählen.
„Ich bin eine Kosmokratin...", begann ich und schilderte ihm meinen Lebenslauf vom Beginn an, vom Augenblick meiner Werdung in Shoonar, über den Konflikt mit Gesil, bei dem sie mich vereinnahmte, bis hin zu Gesils Wiedergutmachung und der endgültigen Aussöhnung zwischen uns drei Kosmokraten-Schwestern. Ich faßte mich sehr knapp, in der Hoffnung, seine Neugierde geweckt zu haben und ihn zu Fragen zu animieren, und ich endete schalkhaft: „Weißt du, daß ich als Kosmokratin die Fähigkeit hätte, dir den Kopf zu verdrehen und zu erreichen, daß du dich in mich verliebst, Veth?"
Entweder war es seiner Art nicht gegeben zu lachen, oder er hatte diese Fähigkeit in den Orphischen Labyrinthen verlernt.
„Erkläre mir den Begriff Kosmokraten genauer", bat er ernst. „Es könnte sein, daß er in deiner Sprache eine andere Bedeutung als in Sothalk hat."
„Das glaube ich nicht", sagte ich, begann aber folgsam, den Unterschied zwischen den negativen und positiven Übermächten zu erklären, die die Milchstraße als Schlachtfeld gewählt hatten, so daß die Galaktiker zwischen die Fronten gerieten.
Veth Leburian wollte mehr davon hören, und ich erzählte ihm von den Rittern der Tiefe...
Er hing gebannt an meinen Lippen und ließ sich kein Wort entgehen. Gelegentlich stellte er Fragen, um sich in Zweifelsfällen völlige Klarheit zu verschaffen. So wollte er genau wissen, warum ich die Galaktiker nicht als Hilfsvölker der Kosmokraten hingestellt wissen wollte, obwohl drei hochgestellte Persönlichkeiten aus ihren Reihen zu Rittern der Tiefe geschlagen worden waren, einer von den Kosmokraten initiierten Organisation.
Ich erklärte es ihm, aber ich glaube, daß ich das nicht zu seiner vollen Zufriedenheit tun konnte. Er äußerte keine Zweifel, aber ich fühlte, daß er bei sich die Galaktiker als Diener der Kosmokraten abtat.
„Entschuldige, Sri", sagte er. „Ich habe nicht gewußt, welchen Status du hast. Eine Entität von deinem Rang..."
„Ich bin keine Entität", unterbrach ich ihn lachend. „Und obwohl Kosmokratin, werde ich nie hinter die Materiequellen gehen. Nimm mich so, wie ich bin."
Ich merkte danach sehr wohl, daß er sein Verhalten mir gegenüber veränderte. Wenn er sprach, so richteten sich seine Worte nicht an mich, sondern es klang wie ein Monolog.
„Es ist offenbar, daß Wesen, die so wunderbare Gefährte wie Virenschiffe besitzen, Günstlinge übergeordneter Mächte sein müssen. Das Beispiel der Ewigen Krieger, die Favoriten der ESTARTU, macht das deutlich..."
Aus irgendwelchen Gründen erwähnte ich ihm gegenüber nicht, daß die Galaktiker sich für den Dritten Weg, unabhängig von Chaotarchen und Kosmokraten, entschieden hatten.
Aber ich bezweifle, daß ich ihn hätte überzeugen können.
Und letztlich wäre das auch ohne Bedeutung gewesen. Denn Veth Leburian hatte ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen, und das steuerte er kompromißlos
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