1292 - Das Versteck der Kartanin
können.
„Ich hoffe, daß ich jetzt endlich eine Antwort auf meine Frage bekommen werde", sagte sie ziemlich heftig. „Wohin wird der Fänger gebracht?"
Ga-Liu hatte eine Eigenart, die Dao-Lin zur Raserei treiben würde, wenn sie lange mit ihm zu tun hatte, dessen war sie sich sicher: Er blickte ständig an ihr vorbei.
„Nach Vaalusa", erwiderte er lakonisch und starrte auf einen Bildschirm, der sich hinter der Protektorin der MASURA befand.
„Warum denn ausgerechnet dorthin?" fragte Dao-Lin überrascht.
„Vaalusa ist..."
Aber Ga-Liu-M'igay wandte sich plötzlich ab und ging davon.
Dao-Lin-H'ay war nahe daran, in die Luft zu gehen. Wütend folgte sie dem Kommandanten der KASAMU.
„Auf Vaalusa hat man nicht im entferntesten die Möglichkeit, dieses wertvolle Gerät zu studieren und nachzubauen!" sagte sie heftig. „Ich verlange eine Erklärung!"
Ga-Liu-M'igay betrachtete sie mit mildem Erstaunen, aber auch jetzt glitten seine Blicke schon wieder davon.
„Es ist ein Befehl", erklärte er in so gequält geduldigem Ton, als sei Dao-Lin ein unwissendes Kind, das einen Erwachsenen mit nörgelnden Fragen bedrängte.
„Ein Befehl von wem?"
Keine Antwort Ga-Liu war völlig in die Betrachtung der fernen Sterne vertieft.
Dao-Lin packte ihn wütend an den Schultern und drehte ihn zu sich herum.
„Wer hat dir diesen Befehl gegeben?" herrschte sie ihn an.
„Die Hohen Frauen", erwiderte er. „Wer sonst?"
Dao-Lin ließ ihn los. Es hatte keinen Sinn, das spürte sie. Er würde ihren Fragen immer wieder ausweichen.
Aber warum?
Und warum hatte er für einen Augenblick gezögert, ehe er antwortete?
Dao-Lin-H'ay kam zu dem Schluß, daß der angebliche „Protektor" etwas vor ihr verbarg.
Daß er die Antworten, die sie haben wollte, durchaus kannte und nur nicht bereit war, sie ihr zu geben.
Aber Dao-Lin wußte aus Erfahrung, daß nicht alle Kartanin imstande waren, ein solches Spiel längere Zeit durchzuhalten. Sie beschloß, sich in diesem merkwürdigen Schiff ein wenig umzusehen. Irgendwo würde sie jemanden finden, der sich dazu bewegen ließ, über die Ziele und die Herkunft der KASAMU zu reden.
Außerdem brauchte sie ein Quartier, bis nach Vaalusa war es ein weiter Weg.
*
Einige Stunden später mußte Dao-Lin-H'ay ihre Ansichten über die Gesprächigkeit der Kartanin revidieren - zumindest soweit es die Besatzung der KASAMU betraf.
Sie hatte versucht, sich mit diesen Leuten zu unterhalten. Ebenso gut hätte sie ihren Atem an eine Diskussion mit einem Schleusenschott verschwenden können.
Sie wußte allmählich nicht mehr, was sie noch unternehmen sollte. Wie es schien, würde dies eine ziemlich unangenehme Reise werden.
Ein schweigsamer Kartanin hatte ihr eine Kabine angewiesen, ihre Fragen nach bordinternen Regelungen verschiedenster Art einsilbig beantwortet und alle anderen Fragen mit Nichtachtung übergangen. Dao-Lin konnte sich über das Quartier nicht beklagen: Der Raum war sauber und ordentlich und so ausgestattet, wie es bei Kabinen auf Raumschiffen eben üblich War. Nicht mehr und nicht weniger. Es schien, als hätte in dieser Kabine noch nie vor ihr jemand gewohnt. Der Raum war langweilig und steril.
Das war ein Punkt. Man konnte ihn übergehen, oder aber auch sich darüber Gedanken machen. Und Dao-Lin machte sich Gedanken.
Sobald der Quartiermeister sich entfernt hatte, verließ Dao-Lin die Kabine zu einem kleinen Rundgang. Sie richtete es so ein, daß sie - entsprechend dem normalen Dienstbetrieb - mit verschiedenen Besatzungsmitgliedern zusammentreffen mußte. Ihre Berechnungen gingen auch auf, aber keiner der Kartanin reagierte auf sie. Niemand schien sie als eine Fremde an Bord zu erkennen. Vielleicht hielt man aber auch die Anwesenheit Fremder in der KASAMU für so unwichtig, daß man nicht weiter darauf einging.
Dao-Lin hatte die Erfahrung gemacht, daß man besonders in den technischen Abteilungen häufig auf Kartanin traf, die gerne ein Plauderstündchen einlegten. Auch das war auf der KASAMU anders.
Schließlich landete sie in der Messe, wo ein paar Kartanin ihre Mahlzeiten einnahmen.
Schon der erste Blick wirkte entmutigend.
Rund ein Dutzend Kartanin hielten sich in der Messe auf. Es gab immer Kartanin, die es vorzogen, ihr Essen in aller Ruhe zu sich zu nehmen, aber viele liebten auch die Geselligkeit. Daß alle Kartanin einzeln an je einem Tisch saßen, war zumindest seltsam.
In der Messe war es bedrückend still. Niemand sprach. Es erklang keine Musik.
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