1292 - Das Versteck der Kartanin
übernehmen sollte, erhielt sie so widersprüchliche Auskünfte, daß sie nichts damit anzufangen wußte.
Und dann meldete sich erneut die Stimme und gab ihr die Anweisung, N'jalin sofort zu verlassen und einen weit entfernten Punkt, eine völlig unbedeutende Stelle des Asteroidenrings, anzufliegen.
Eingedenk der Mahnung Shu-Han-H'ays, daß man der Stimme folgen müsse, gab Dao-Lin-H'ay den Befehl, N'jalin zu verlassen und auf den neuen Kurs zu gehen.
Gespannt wartete sie darauf, daß die Ortung ansprach, und tatsächlich: Als die Planetenfähre sich dem Treffpunkt näherte, wartete dort ein Raumschiff.
Es war ein typisches, kartanisches Diskusschiff mit einem Durchmesser von fünfhundert Metern, und es schwebte neben einem großen, unregelmäßig geformten Felsklumpen.
Als die Planetenfähre näher kam, löste das fremde Schiff sich aus seiner Warteposition und glitt schnell herbei. Dao-Lin-H'ay beobachtete das Schiff und fühlte vages Unbehagen bei diesem Anblick. Sie konnte sich das nicht erklären, aber irgendwie erinnerte dieser Raumer sie an einen großen, gefährlichen Fisch.
Wer immer auf diesem fremden Schiff auch das Kommando führen mochte - er oder sie gehörte nicht zu den gesprächigen Vertretern des kartanischen Volkes.
Das fremde Schiff schob sich unter den Fänger, und in der Fähre warf der Pilot Dao-Lin-H'ay einen fragenden Blick zu.
„Warte", befahl die Protektorin der MASURA. „Die sollen uns zuerst sagen, was sie vorhaben."
Der Kommandant des anderen Schiffes schien jedoch der Ansicht zu sein, daß es da nicht viel zu reden gab, zumal seine Absichten ganz offensichtlich waren: Ein Traktorstrahl griff nach dem Fänger.
Das größere Schiff verfügte über viel mehr Energie als die kleine Fähre, aber Dao-Lin-H'ay hätte den Fänger mit einem schnellen Manöver aus der Reichweite der anderen herausbringen können. Sie war versucht, dies zu tun, aber sie zögerte einen Augenblick zu lange.
Der Traktorstrahl erfaßte den Fänger, und ein heftiger Ruck ging durch die Planetenfähre, als das fremde Schiff das terranische Beutestück abrupt zu sich hinüberzuziehen versuchte.
Dao-Lin-H'ay spreizte zornig die Krallen.
„Gib den Fänger frei", befahl sie dem Piloten, und erneut fuhr ein Ruck durch die Fähre, daß Dao-Lin-H'ay sich an einem Instrumentenpult festhalten mußte, um nicht hinzufallen.
„Scheinen höfliche Leute zu sein", bemerkte der Pilot, ein junger Mann mit prächtigem, seidigem Schnurrbart.
Dao-Lin-H'ay war bereits dabei, eine Funkverbindung herzustellen. Natürlich hätte das andere Schiff dies tun müssen, aber dies schien nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um sich auf kartanische Etikette zu berufen.
„Was fällt euch..." begann sie, aber auf dem anderen Schiff war man an ihrem Kommentar nicht interessiert.
„Der Fänger ist verankert", sagte ein männlicher Kartanin von einem Bildschirm herab, und er wirkte seltsam abwesend, beinahe arrogant. „Dao-Lin-H'ay wird gebeten, an Bord zu kommen."
„Willst du dir das bieten lassen?" fragte der Pilot, Shi-Sai aus der Großen Familie D'orja.
„Natürlich nicht", knurrte Dao-Lin-H'ay und hieb auf die Sprechtaste. „Dao-Lin-H'ay an fremdes Schiff: Identifiziert euch!"
Ein anderer Kartanin erschien auf dem Bildschirm. Er wirkte noch abwesender und damit auch noch arroganter als sein Vorgänger.
Raumschiff KASAMU, Protektor Ga-Liu-M'igay", sagte er und schien dabei mit seinen Gedanken überall zu sein, nur nicht bei dem Gespräch, das er gerade führte.
Dao-Lin schnappte nach Luft.
„Protektor?" fragte sie verblüfft.
Einen solchen Titel konnte es eigentlich gar nicht geben. Protektorinnen bekamen diesen Rang verliehen, weil sie besonders fähige Esper waren und nur weibliche Kartanin entwickelten parapsychische Fähigkeiten.
„Wir haben Befehl, den in Fornax erbeuteten Tränen-Sammler zu holen und die Protektorin Dao-Lin-H'ay an Bord zu nehmen", fuhr Ga-Liu-M'igay ungerührt fort. „Bitte beeile dich, denn uns sind enge Fristen gesetzt."
„Wohin wollt ihr den Fänger bringen?"
„Tut mir leid, aber ich bin nicht befugt, dir das jetzt schon mitzuteilen."
„Wer hat dir den Befehl gegeben?"
„Weigerst du dich, an Bord zu kommen?" fragte Ga-Liu-M'igay mit einem Minimum von Anteilnahme.
„Das könnte dir so passen", knurrte Dao-Lin und unterbrach die Verbindung.
„Merkwürdig", kommentierte Shi-Sai-D'orja. „Wenn du mich fragst..."
„Ich frage dich aber nicht", konterte Dao-Lin gereizt.
Fast
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