1292 - Das Versteck der Kartanin
Selbst das Klappern des Geschirrs klang hier gedämpft.
Dao-Lin holte sich Getränk aus einem Automaten und setzte sich zu einem der Kartanin an den Tisch.
„Wie ist das Essen auf der KASAMU?" fragte sie.
„Gut", erwiderte ihr Gegenüber lakonisch.
„Bist du schon lange an Bord?"
„Ja."
„Ihr kommt wohl viel herum, wie?"
Keine Antwort.
„Wo seid ihr stationiert?"
„Vaalusa."
War das des Rätsels Lösung?
Es war gewiß kein Spaß, längere Zeit hindurch auf Vaalusa leben zu müssen.
Aber warum reagierten diese Raumfahrer dann nicht positiv auf die Tatsache, daß sie sich im freien Raum befanden? Jeder normale Kartanin hätte sich nach einigen Wochen Vaalusa für die nächsten Tage nach jedem Bildschirm umgedreht, auf dem man die Sterne sehen konnte!
„Es muß großartig sein, wenn man für ARDUSTAAR arbeiten kann!" sagte Dao-Lin in der Hoffnung, daß bei diesem Stichwort das Eis brechen werde.
Aber der Mann sah sie an, und in seinen Augen stand pure Verständnislosigkeit.
„Nie gehört!" brummte er, und dann widmete er sich wieder seinem Essen, und Dao-Lin wußte, daß jede weitere Bemerkung sinnlos war.
Deprimiert verließ sie die Messe.
Und dann kam ihr ein Gedanke: Sie beschloß, die Esper der KASAMU aufzusuchen.
Einige mußten ja wohl an Bord sein, denn es war ein ganz normales Schiff. Dao-Lin hatte die halbkugeligen Aufwölbungen gesehen, unter denen die Paratau-Vorräte eines jeden kartanischen Raumschiffs aufbewahrt wurden. Wo sich solche Vorräte befanden, da brauchte man auch Esper, die mit den Tränen N'jalas umgehen konnten.
Aber als Dao-Lin die entsprechenden Räumlichkeiten erreichte, da fand sie sie leer und verlassen. Mehr noch: Hier hatte sich schon seit langem niemand mehr aufgehalten. Die Luft roch muffig, und die Räume waren völlig leer. Ein paar Kojen enthielten verstaubte Decken, bei den anderen fehlten selbst diese.
Beunruhigt untersuchte Dao-Lin die Behälter, in denen man die Tränen der N'jala zu verwahren pflegte.
Es waren keine an Bord.
*
Lange Zeit stand sie wie betäubt im Halbdunkel.
Was war das für ein Schiff?
Keine Tränen an Bord, keine Esper, statt einer Protektorin ein Protektor, sämtliche Besatzungsmitglieder so schweigsam, daß eine normale Unterhaltung mit ihnen schlichtweg unmöglich war...
Schließlich drehte Dao-Lin sich um und ging zurück zu ihrem Quartier. Sie ging langsam und leise und lauschte in die Stille hinein, die die KASAMU erfüllte.
Nirgends Stimmengewirr, niemand lachte oder machte einen Scherz, niemand rannte - die Besatzung der KASAMU war nicht nur im Reden zurückhaltend, sondern man bewegte sich hier offensichtlich grundsätzlich nur gemessenen Schrittes.
Und dieses Schiff sollte etwas mit ARDUSTAAR zu tun haben?
Dao-Lin wußte noch immer nicht, was sie sich unter der Stimme von ARDUSTAAR vorstellen sollte, aber gewiß hatte sie nicht ein so stilles und stummes Schiff im Auge gehabt.
Sorge dich nicht. Hab Vertrauen!
Dao-Lin zuckte zusammen.
„ARDUSTAAR?" fragte sie leise.
Niemand antwortete ihr.
Und doch hatte sie die Stimme deutlich vernommen und sie auch einwandfrei erkannt.
Mehr noch: Sie spürte, daß sie ARDUSTAAR nähergekommen war.
Hab Vertrauen - das war leicht gesagt.
Dao-Lin kam an einer Kabinentür vorbei, und einem plötzlichen Impuls gehorchend, öffnete sie sie.
Hinter der Tür war es dämmerig. Dao-Lin hörte leise Atemzüge. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an das spärliche Licht. Sie sah einen Kartanin, der in seiner Koje lag und schlief. Er hatte einen gesunden, sehr tiefen Schlaf, denn er rührte sich nicht Und das, obwohl Kartanin im allgemeinen sehr feine Ohren hatten und speziell auf nächtliche Störungen ungeheuer empfindlich reagierten.
Dao-Lin zögerte, denn es gehörte sich nicht, in einen Raum einzudringen, in dem jemand schlief. Aber andererseits sah es so aus, als hätte sie in diesem Schiff gar keine andere Wahl, als sich alle benötigten Antworten selbst zu verschaffen.
Leise schaltete sie das Licht ein.
Der Kartanin rührte sich immer noch nicht, und Dao-Lin hielt unwillkürlich den Atem an.
Sie war bereit gewesen, zu glauben, daß man ihr eine selten benutzte Kabine angewiesen hatte. So etwas gab es auf allen Schiffen. Irgendwo existierte immer ein Raum, in dem niemand wohnen mochte, aus welchen Gründen auch immer. Es war nicht gerade höflich, einen Gast in ein solches Quartier zu stecken, aber manchmal hatte man keine andere Wahl. Im Normalfall versuchte man
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