1292 - Das Versteck der Kartanin
dann, den krassen Eindruck ein wenig zu mildern, indem man einige entbehrliche Gegenstände in den betreffenden Raum bringen ließ, damit der wenigstens auf den ersten Blick so aussah, als sei er auch sonst bewohnt.
Daß man sich an Bord der KASAMU diese Mühe nicht gemacht hatte, war nicht weiter überraschend. Es paßte zu dem Eindruck, den Dao-Lin bisher von diesem Schiff und seinem „Protektor" gewonnen hatte.
Aber daß auch diese wirklich bewohnte Kabine genauso kalt und kahl und unpersönlich aussah - das war in der Tat überraschend.
Dao-Lin schaltete das Licht wieder aus und verließ die Kabine. So leise wie möglich schloß sie die Tür hinter sich, lehnte sich dann gegen die Wand und atmete tief durch.
Hab Vertrauen - sie fuhr unwillkürlich die Krallen aus.
Nein, dachte sie. Ich mißtraue ARDUSTAAR nicht. Mein Mißtrauen gilt allein diesem Schiff und seiner Besatzung.
Aber das war eine Lüge. Dao-Lin-H'ay wußte es, und ARDUSTAAR, wer oder was das auch immer sein mochte, wußte es zweifellos auch; Allerdings hielt ARDUSTAAR es diesmal nicht für nötig, sich zu diesem Punkt zu äußern.
Dao-Lin tastete nach den Paratau-Tropfen in ihrer Jackentasche. Dann begab sie sich erneut zur Brücke. Es kümmerte sie nicht mehr, ob ARDUSTAAR möglicherweise ihre Gedanken und Gefühle kannte.
Wenn ARDUSTAAR den Kartanin freundlich gesinnt war, wenn dieses Etwas seine Schützlinge kannte, dann würde es auch Verständnis für Dao-Lin aufbringen.
Die Protektorin hoffte zumindest, daß es so war.
Als Dao-Lin-H'ay die Brücke betrat, hatte sich dort nicht viel verändert.
Die Bildschirme zeigten das Sternengewimmel des galaktischen Zentrums. Ga-Liu-M'igay stand an einem Instrumentenpult und starrte schweigend vor sich hin. Die anderen Kartanin taten ebenfalls schweigend ihre Arbeit.
Die Protektorin ging zu Ga-Liu-M'igay und blieb hinter ihm stehen. Sie steckte die Hand in die Tasche, berührte eine der Tränen N'jalas und konzentrierte sich auf den Kommandanten der KASAMU.
Sie war wie vom Donner gerührt und fürs erste unfähig, zu akzeptieren, was sie fand.
Sie konnte Ga-Liu-M'igays Gedanken nicht auffangen.
Nach einer Weile, in der ihre Gedanken sich benommen im Kreis gedreht hatten, wandte sie den Kopf und sah die Kartanin an, die sich auf der Brücke befanden. Sie versuchte es bei jedem einzelnen.
Sie fand nichts.
Die Kartanin in der KASAMU waren parataub. Selbst der beste Esper - und Dao-Lin-H'ay gehörte zu den besten Kartanin auf diesem Gebiet -konnte ihre Gedanken nicht belauschen.
4.
„Wo immer der geheime Stützpunkt der Kartanin auch sein mag -im N'jala-System befindet er sich jedenfalls nicht", stellte Nikki Frickel fest.
Wido Helfrich zuckte die Schultern.
„Uns kann es ja egal sein", murmelte er. „Hauptsache, wir verlieren die Brüder nicht, sonst sind sie mit unserem Fänger auf und davon."
Nikki Frickel antwortete nicht. Sie wußte selbst, daß die Situation problematisch war.
Ein kartanisches Diskusschiff von fünfhundert Metern Durchmesser hatte sich des Fängers bemächtigt und befand sich nun auf dem Weg in das Sternengewimmel des galaktischen Zentrums. Das war kein ganz ungefährliches Pflaster - vor allem für die Kartanin.
Aber das war nur ein Punkt, der der Kommandantin der WAGEIO Sorgen bereitete. Die WAGEIO würde wenig Mühe haben, auch in diesem Gebiet zurechtzukommen.
Für die Kartanin sah das schon etwas schwieriger aus, und genau da lag das Problem.
Die WAGEIO verfügte über Metagrav-Triebwerke. Die Kartanin dagegen besaßen nur einfache Linearantriebe. Man konnte sie mit Hilfe von Halbraumspürern orten und verfolgen, aber sie hatten mitunter leichte Orientierungsschwierigkeiten, kehrten in unberechenbaren Abständen in den Normalraum zurück, wechselten abrupt den Kurs - manchmal fragte man sich wirklich, ob sie vielleicht sogar den hartnäckigen Verfolger bemerkt hatten und sich nun bemühten, ihn abzuschütteln.
Nikki Frickel sagte sich, daß das sehr unwahrscheinlich war, aber Sorgen machte sie sich trotzdem. In diesem Abschnitt von M33 hätte die WAGEIO dem kartanischen Diskus sehr dicht auf den Fersen bleiben müssen, wollte man jedes Risiko ausschalten. Aber da die Kartanin den Verfolger nicht bemerken sollten, mußte man sich zurückhalten, und das beschwor die Gefahr herauf, daß die WAGEIO den Diskus irgendwann doch aus der Ortung verlor.
„Wo zum Teufel wollen die eigentlich hin?" fluchte Wido Helfrich, der mit seiner Geduld fast am Ende
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