1293 - Halloween-Horror
Moment die Augen, aber die Szene war nicht verschwunden, als ich zum zweiten Mal hinschaute.
Ich sah mich noch einmal. Über meinem Kopf malte sich das Bild schwächer ab, das meine Gedanken produziert hatten.
Ich saß tatsächlich auf meinem Bürostuhl und schaute ebenfalls in die Kamera hinein.
Jetzt verschwanden auch meine letzten Zweifel. Ich war tatsächlich durch die blonde Bestie manipuliert worden…
***
Die Kamera begann in Angelas Hand zu zittern und ich hörte ihren leisen Kommentar. »Mein Gott, das ist unglaublich! Das ist nicht zu fassen! Schau mal hin, Jens.«
»Ich sehe es.« Seine Stimme war kaum zu verstehen.
Für mich erst recht nicht, denn ich hatte mich schon auf den Rückweg gemacht. Vor dem Geländer blieb ich stehen, aber jetzt schaute ich darüber hinweg auf das Wasser und die dunklen Stellen am Ufer, wo sich das Gebüsch staute.
Gedanken wehten durch meinen Kopf. Ich wusste nicht, was ich dachte, denn es gelang mir nicht, sie zu ordnen. Ich war einfach völlig durcheinander, und ich kam mir auch vor, als wäre ich ein anderer Mensch geworden und nicht mehr John Sinclair.
Etwas Kaltes kroch in mir hoch, erreichte auch die Brust und umklammerte mein Herz. Mir fiel es schwer zu atmen. Die dunkle und trotzdem leicht schimmernde Wasserfläche unter mir bewegte sich, als wollte sie mich hineinziehen und nie mehr loslassen.
Das war der reine Wahnsinn. Da konnte man durchdrehen, wenn man genauer darüber nachdachte, und das tat ich auch. Für mich stand jetzt einfach fest, dass die andere Seite es geschafft hatte. Ich war nicht mehr frei und musste mich als Gefangener der Justine Cavallo fühlen. Sie hatte es geschafft, mich zu manipulieren, und ich hatte mich nicht dagegen wehren können. Aber ich erinnerte mich daran, dass sie mir einiges über die neuen Wege erklärt hatte, die sie gehen wollte. Das Herumgeistern und auf Beute zu warten, das war ihr zu primitiv. Doch so war sie schon immer gewesen, auch damals, als sie noch mit van Akkeren zusammen gewesen war.
Ihn gab es auch noch. Wenn er und sie eine Gemeinschaft eingingen, konnte das für mich sehr böse enden, denn ich war immer gehandicapt. Andererseits hätte ich dann gern meine Gedanken gegen sie gewendet, aber das hatte Justine ausgeschlossen und ich glaubte ihr. So konnte ich diese neue »Begabung« nicht gegen die Mächte der Finsternis einsetzen.
Obwohl ich mich frei bewegte, fühlte ich mich als Gefangener, und mir wurde sogar übel.
Hinter mir hörte ich leise Schritte. Von der anderen Seite der Brücke wehten die Stimmen zu uns rüber, die mittlerweile immer mehr an Lautstärke gewonnen hatten. Die Party hatte bereits begonnen, und ich wollte nicht an ihr teilnehmen, wenn eben möglich. Es konnte durchaus sein, dass sich meine Gedanken selbstständig machten, und das hätte für manchen Menschen ein grauenvolles Ende nehmen können.
Rechts neben mir blieb jemand stehen. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. An der Schwere erkannte ich, dass es die Hand von Jens Rückert war.
»Ich würde Ihnen ja gern etwas sagen, aber ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll. Ich glaube auch, dass ich Ihnen nicht raten kann - oder?«
»So ist es.«
»Dann hat sie es geschafft?«
»Ja. Casey Jordan ist nichts anderes als eine Testperson gewesen. Bei ihm hat es geklappt, bei mir jetzt auch, und darauf ist der Plan auch hinausgelaufen. Justine Cavallo. Sie ist mit allen Wassern gewaschen, und sie hat genau gewusst, dass ich die Blutbrücke finden würde. Das ist passiert und sie hat gewonnen. Ich konnte nichts dagegen unternehmen. Die Kräfte, die sich hier verteilen, sind zu stark.«
In meiner Nähe atmete der junge Mann schwer. »Wollen Sie denn aufgeben, John?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Jens. Es sieht so aus. Ich weiß auch nicht, was ich im Moment tun könnte. Ich lebe zwar, aber ich komme mir trotzdem vor wie eine lebende Leiche. Wie ein Zombie, der von nun tumb durch eine weitere Existenz laufen wird. Ich kann nicht nur gute und positive Gedanken haben. Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch. Ich habe Gefühle und die müssen raus. Ich muss da was rauslassen, wie man immer so schön sagt. Irgendwann wird man mich dazu bringen, dass meine Gedanken negativ sind. Dann wird das in der Realität eintreten, was sich sonst nur in meinem Kopf abgespielt hat. So fürchte ich mich davor, dass es Tote gibt, die auf meine Kappe gehen.«
»Tja, was soll ich dazu sagen?«, flüsterte Jens Rückert. »Auch für mich ist es
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