1293 - Halloween-Horror
unbegreiflich.«
»Das ist mir klar«, sagte ich, »und ich möchte auch nicht, dass Sie sich in meiner Nähe aufhalten. Sie nicht und auch nicht Ihre Kollegin.«
»Was wollen Sie tun?«
»Alleine bleiben.«
»Ach. Wo denn?«
»Keine Sorge«, beruhigte ich ihn. »Ich werde noch nicht wieder nach London zurückfliegen. Aber ich bleibe nicht mehr auf der Brücke. Das müssen Sie mir schon zugestehen, Jens.«
»Wissen Sie denn, wo Sie hinwollen?«
»Nein.«
»Kennen Sie sich hier aus?« Er ließ nicht locker und wollte unbedingt den Schutzengel spielen.
»Nein, Jens. Doch Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich werde mich vom Ort des Geschehens nicht weit entfernen.«
»Das beruhigt mich etwas.«
Ich drehte mich um und sah Angela Finkler vor mir stehen, die mich traurig anschaute und jetzt flüsterte: »Dabei hätte ich Ihnen so gern geholfen und wieder etwas gutgemacht.«
»Wieso? Was meinen Sie damit?«
»Denken Sie an die Nacht in London. Ich bin mir sicher, John, wenn Sie nicht gewesen wären, dann hätte uns dieser Casey Jordan bestimmt getötet.«
»Das kann ich nicht beurteilen.«
»Doch, doch, so ist es. Und deshalb werden auch wir Sie nicht im Stich lassen. Ich glaube fest daran, dass sie uns noch mal brauchen werden.« Sie schluckte und ich sah, dass sie die Tränen nur mühsam zurückhielt. »Ich wünschte mir, ich könnte die verdammte Zeit zurückdrehen. Dann wären wir nicht zu diesem Bullenfest gegangen. Entschuldigung, wenn ich das so sage.«
»Schon gut.«
Jens Rückert stand neben uns wie ein begossener Pudel. Er starrte zu Boden. »Wenn ich dann trotzdem was tun kann, sagen Sie es nur.«
»Danke.«
»Wir bleiben auf der Brücke.«
»Das kann ich Ihnen nicht verbieten. Aber Sie wissen auch, dass es gefährlich werden kann.«
»Leider.« Jens zeigte dorthin, wo die Menschen jetzt auf die Brücke strömten. Selbst auf diese Entfernung hin waren ihre abenteuerlichen Kostüme zu erkennen. Viele hatten sich für eine helle Kleidung entschieden. Sie traten als Leichen auf, die ihre verschmutzten oder blutigen Totenhemden anbehalten hatten.
Der Spaß war nichts für mich. Ich wollte auch nicht mit ihnen in Kontakt kommen und entfernte mich in die gegengesetzte Richtung. Ich ging nicht mal schnell, die Stimmen erreichten mich auch weiter, und dann hörte ich plötzlich eine ferne Männerstimme, die meinen Namen rief. »John… John Sinclair…«
Es war Harry Stahl, das hörte ich sehr deutlich.
»John, verdammt…«
Ich ging trotzdem weiter…
***
»Mitmachen oder zurückgehen?«, fragte Heiko.
Harry brauchte nicht lange zu überlegen. »Wir werden nicht kneifen und machen mit.«
»Gut«, flüsterte er.
»Angst?«
»Ja.«
»Danke, dass du ehrlich gewesen bist. Etwas anderes hätte ich dir auch nicht geglaubt. Aber auch ich fühle mich nicht eben wie der King. Doch wer keine Angst hat, der kann auch keinen Mut haben, weil er ja die Angst überwinden muss. Und Mut werden wir beide jetzt brauchen, das steht fest.«
Heiko nickte. Sie waren die Einzigen, die noch am Van standen. »Haben Sie einen Plan?«, fragte er dann.
»Nein, das ist nicht möglich. Wie sollten wir hier einen Plan schmieden können? Wir müssen uns überraschen lassen. Es gibt nichts, was wir im Voraus berechnen könnten. Aber ich glaube, dass die echten Totengeister nur auf ihre Nachahmer gewartet haben, um dann blutig zuschlagen zu können.«
»Wie schon mal«, flüsterte Heiko.
»Nur sind es damals wohl keine Totengeister gewesen. Hier hat ja eine Schlacht stattgefunden.«
Heiko ging nicht auf dieses Thema ein. Er verfolgte einen anderen Gedanken. »Darf ich Ihnen etwas sagen, Harry?«
»Bitte.«
»Ich kann mich nur darüber wundem, mit welch einer Gelassenheit Sie die Dinge angehen. Andere wären bestimmt durchgedreht und schon längst geflüchtet. Wieso sind sie anders, Harry?«
»Bin ich wirklich so anders?« Er lächelte und stützte sich am Heck des Vans ab. »Ich gehe nur meinem Job nach. Es ist kein Zufall gewesen, dass wir uns getroffen haben, aber das wissen Sie ja. Für mich ist es ein Job, und den nehme ich ernst.«
»Ein Job? Ich meine…«, Heiko verlor den Faden und wusste nicht mehr weiter.
»Ich jage diese Gestalten, wenn Sie es genau wissen wollen.«
»Geister?«
»Auch das.«
»Sie glauben daran?«
»Ich muss heute an vieles glauben, an das ich früher nicht mal im Traum gedacht habe.«
»Aber von hier sind sie nicht - oder?«
»Nein, das bin ich nicht. Ich stamme aus der
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