1293 - Halloween-Horror
erschienen ist, das habe ich noch nie erlebt. Mit ihm kann man sich am Südpol verabreden. Er wird kommen, oder er wird Bescheid geben, wenn ihm etwas dazwischen gekommen ist. Sie können sich vorstellen, dass meine Sorgen nicht geringer werden, je mehr Zeit verstreicht.«
»Das kann ich mir denken. Wollen Sie meine Meinung hören?«
»Sicher.«
»Er kommt nicht.«
»Möglich«, gab Harry zu und schaute in ein grinsendes Totenkopfgesicht, das einen Moment später verschwunden war. »Aber dann hätte er mir Bescheid gegeben. Im Zeitalter des Handys sollte das nun wirklich kein Problem sein.«
»Und wenn er nun keine Gelegenheit dazu hatte?«
»Das befürchte ich auch.«
Sie setzten ihren Weg fort. Die Fete konzentrierte sich mehr auf die eine Hälfte der Brücke. Der zweite Teil blieb praktisch unangetastet. Da waren auch keine Scheinwerfer aufgestellt worden. Dort musste das Licht der beiden trüben Laternen reichen.
Trotzdem fiel Harry Stahl dort die Bewegung auf. Er blickte noch mal hin und stellte fest, dass es keine Feiernden waren, die sich dort aufhielten. Zumindest verhielten sie sich nicht so. Ob sie sich verkleidet hatten, sah er nicht.
»Haaa… da seid ihr ja!«
Wie von Zauberhand tauchte Andrea Merand, die Bluthexe, vor ihnen auf. Jetzt trug sie wieder ihre Maske, die auch ihre Stimme etwas verfremdet hatte. Die künstlichen Augen in der Maske blinkten wie zwei Warnleuchten bei einem Auto. Der Mund grinste den Betrachter an. Zwei Hände hatten sich in Klauen verwandelt und griffen zu.
Bevor sich Harry Stahl versah, wurde er weggezerrt und auf das Geländer zugeschoben. Er musste rückwärts gehen und hörte die Worte aus dem Mund dringen.
»Schon immer sind die Hexen scharf auf Menschen gewesen, wenn der Teufel nicht in der Nähe war. Wenn nicht mit ihm, dann buhlten sie mit ihren Opfern.«
»Ja, ja, schon gut…«
»Nein, heute ist Halloween, hörst du? Das ist die Nacht der Geister, der Dämonen und der Toten. Für sie gibt es kein Gesetz. Daran können sich auch die Menschen halten.«
»Aber sie müssen das nicht«, protestierte Harry.
»Doch, wenn ich es will, dann schon. Und jetzt will ich es, verstehst du das?«
»Nein, ich…«
Harry konnte nicht mehr sprechen. Er wunderte sich über Andreas Kraft, wie sie seinen Körper nach hinten bog. Er wäre gefallen, wenn das Geländer ihn nicht abgefangen hätte. Mit dem Rücken lag er darauf, und sein Kopf war weit nach hinten gekippt.
»Die Hexe und der Mann. Das war schon immer mein Traum.« Andreas Stimme klang schrill. Sie hatte sich gut vorbereitet und riss Harry plötzlich wieder in die Höhe, um ihn eine Sekunde später gegen ihr »blutiges« Kostüm zu pressen.
»Ich gebe dir den Hexenkuss!«, flüsterte sie ihm zu. Die Worte drangen aus dem Maul mit den zerfetzten Lippen. Noch immer überschlug sich die Stimme dabei und Harry wünschte sich wirklich alles, nur nicht diesen Kuss.
Er schüttelte den Kopf. Aber die Hände ließen ihn nicht los. Über die Kraft der Frau konnte er sich nur wundern.
Aber es gelang ihm, die rechte Hand zu bewegen. Er brachte sie an den Nacken der Frau, bekam den Stoff dort zu fassen und riss die Maske mit einer heftigen Bewegung vom Gesicht weg.
»So, jetzt…«
Weiter kam er nicht, denn schlagartig fror bei ihm alles ein. Er schaute nicht mehr in Andreas Gesicht, sondern in die schönen, aber kalten Züge von Justine Cavallo…
***
Harry wusste in diesem schrecklichen langen Augenblick des Erkennens, dass ihm nur Sekunden blieben, um sein Leben zu retten. Er kannte die Kräfte der Blutsaugerin und wusste auch, wie gnadenlos sie war. Aber sie war auch auf eine gewisse Art und Weise eitel und wartete sicherlich ab, um sich an seiner Überraschung zu weiden.
Stahl sah die Blutzähne noch nicht, bemerkte aber das kurze Zucken der Lippen, doch so lange wollte er nicht warten. Auf den Anblick der Zähne konnte er verzichten.
Dann reagierte er.
Der Griff hatte sich gelockert, und die Chance nutzte Harry Stahl sofort. Er sackte in die Knie, bekam Kontakt mit dem Boden, schnellte sofort wieder hoch und schaffte das fast Unmögliche. Er überraschte mit dieser Aktion sogar die blonde Bestie. Harry packte sie an den Hüften, wuchtete sie hoch und kippte sie nach vorn, praktisch über seinen Kopf hinweg.
Da war nur noch das Geländer, und es war recht niedrig, so dass die Blutsaugerin keinen Halt fand.
Sie streckte zwar die Arme vor, doch die Hände griffen ins Leere, und dann war sie plötzlich
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