1293 - Halloween-Horror
verschwunden. Harry wusste nicht, ob er ein Klatschen gehört hatte oder einen Aufprall gegen den Boden, jedenfalls war sie nicht mehr vorhanden, und Stahl konnte durchatmen.
Er konnte es kaum glauben, dass ihm diese Überraschung gelungen war. Das war beinahe wie ein inneres Fest für ihn.
Trotzdem hatte er Mühe, sich aufrecht zu bewegen. Er taumelte mehr nach vorn und lief Heiko Fischer praktisch in die Arme, der alles gesehen hatte.
Er war noch völlig durcheinander, weil er nichts verstand. Als er sprach, stotterte er. »Harry, verdammt, das kann nicht sein. Bist du übergeschnappt? Was hast du mit Andrea Merand gemacht?«
»Nichts.«
»Wieso nichts?«
»Das war nicht Andrea Merand.«
Jetzt verstand Heiko Fischer überhaupt nichts mehr. Aus seinem Gesicht war das Leben gewichen.
Die Haut sah aus, als hätte sie sich in Glas verwandelt.
»Bist du blind?«
»Auch nicht«, sagte Harry. Er wandte sich ab, um über das Geländer in die Tiefe zu schauen. Von Justine Cavallo war nichts zu sehen. Aber sie würde zurückkehren, das wusste er verdammt genau.
Heiko Fischer rüttelte ihn an der Schulter. »Scheiße, ich will wissen, was passiert ist. Das ist doch nicht normal! Ich habe gesehen, wie Andrea dich anmachte und…«
»Sie war es nicht!«, fuhr Harry ihn an.
Heiko hielt den Mund. Er hatte etwas in den Augen des Anderen gesehen, das ihn vorsichtig werden ließ. Mit wesentlich ruhigerer Stimme fragte er: »Kann ich trotzdem eine Erklärung haben?«
Harry wischte über seinen Mund. »Ja, das kannst du. Da hat sich jemand Andreas Kostüm ausgeborgt.«
Fischer sagte nichts. Sein Mund stand nur offen, und dann nickte er Harry zu. »Aber kann es nicht sein, dass zwei Frauen mit dem gleichen Kostüm erschienen sind?«
»Nein, daran glaube ich nicht. Dieses Bluthexending plus der Maske war zu originell. Ich gehe mal davon aus, dass Andrea Merand es sich nicht gekauft, sondern selbst geschneidert hat. Es wurde ihr geraubt. So muss man das sehen.«
Heiko gewöhnte sich daran, doch er musste, noch die Frage stellen, auf die Stahl gewartet hatte, weil sie einfach in der Luft lag. »Was ist dann mit Andrea Merand geschehen?«
»Keine Ahnung, Heiko.«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich Ihnen nicht. Nein, Sie wissen mehr, davon bin ich überzeugt. Sie wollen es mir nur nicht sagen.«
Harry überlegte. Heiko hatte ja Recht. Er wollte es ihm nicht sagen. Wenn er erfuhr, dass sich eine echte Blutsaugerin unter die Halloween-Leute gemischt hatte, konnte er in Panik verfallen. Er hatte schon genug mit seinen Totengeistern erlebt.
»Ja, ich kenne sie. Ich habe sie mal gejagt. Sie ist mir immer wieder entwischt.«
»Ist sie eine Verbrecherin?«
»So kann man es auch nennen.«
Heiko gab zunächst keine Antwort. Nachfragen standen in seinem Blick geschrieben, doch er traute sich nicht, eine Frage zu stellen. Besonders die nicht, die sich um den Beruf seines neuen Freundes drehte. Stattdessen wollte er wissen, wie es jetzt weiterging.
Die Frage hatte Harry Stahl erwartet. Dennoch ließ er sich mit der Antwort Zeit. Sein Blick glitt noch mal über die Brücke hinweg. Er schaute den Feiernden zu, die Andrea Merand gar nicht vermissten.
Das war auch bei Chris Draber der Fall. Er stand zusammen mit einem Skelett, dessen Knochen wie auf den Körper aufgemalt schienen und dabei schaurig glänzten. Eingehängt hatte sich bei dem Skelett eine struwwelige Hexe, die sogar einen Besen bei sich trug, dessen Borsten die gleiche Farbe aufwiesen wie die Haare der Person.
Das Erscheinen der blonden Bestie hatte ihm bewiesen, wie gefährlich es hier werden konnte. Er hoffte, dass sich die Cavallo auf ihn konzentrierte und nicht auf die anderen Gäste. Deshalb war es besser, wenn er sich von Heiko Fischer trennte.
»Ich warte noch auf eine Antwort, Harry.«
»Klar.« Er schaute ihn an. »Wir werden uns trennen.« Harry lachte dabei. »Das hört sich schlimmer an, als es ist. Jeder wird sich seinen eigenen Spaß suchen. Natürlich bleibe ich auf der Brücke, aber ich habe jetzt ein Problem, und da möchte ich Sie auf keinen Fall mit hineinziehen. Dafür müssen Sie Verständnis haben.«
»Verstehe.« Heiko nickte. »Seien Sie doch mal ehrlich. Sie haben einfach Angst um mich.«
»Das stimmt.«
»Es ist wegen der Frau.«
»Sicher?«
Heiko legte den Kopf schief. »Jetzt sagen Sie nicht, dass Sie flüchten wollen, Harry, dann enttäuschen Sie mich.«
»Keine Sorge, ich bleibe. Nur muss ich mich auch
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