1297 - Das Blutsee-Quartett
Ich hatte die Frage ohne einen bestimmten Hintergedanken gestellt.
Der Mönch brauchte nicht lange zu überlegen. Er nickte sehr schnell. »Die Person war irgendwie hell.«
»Ach.«
»Blond?«, fragte Suko, der genau den richtigen Gedanken aufgenommen hatte.
Der Mönch strahlte. »Wie Sie es gesagt haben, stimmt es. Ja, sie ist wohl blond gewesen.«
»Und wo ist sie hingegangen?«
Der Mönch zuckte mit den Schultern. »Sie ist plötzlich weg gewesen, einfach so.«
»Ach.«
»Ja, ja, einfach so. Ich habe mich auch darüber gewundert, doch ich konnte nichts tun. Es war auch nicht tragisch. Sie hat ja nicht in unser Kloster gewollt.«
»Das wäre natürlich tragisch gewesen«, kommentierte ich und hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken.
»Ja, das wäre es. Das wäre es wirklich. Wir leben hier ohne Frauen. Es gilt als Gebot, sie nicht zu uns zu lassen.«
Ich wollte nicht weiter darüber diskutieren und kam nur noch mal auf die Frau zu sprechen, die er gesehen hatte.
»Nein, sie ist nicht wiederaufgetaucht.«
»Danke.«
Der Mönch verstand und zog sich zurück. Suko wartete, bis er außer Hörweite war. »Sagt dir das was?«
Ich zuckte die Achseln. »Die Frau?« Mein Mund verzog sich leicht. »Kann ich nicht sagen.«
»Aber du glaubst dem Zeugen?«
»Schon. Eingebildet wird er sich die Person nicht haben, denke ich mal.«
»Aber wer treibt sich hier als Frau herum?«
Darüber war wirklich nachzudenken, aber das ließ man nicht zu, denn Bruder Anselmo musste uns irgendwie schon gehört haben. Er öffnete die Tür so schnell, dass wir leicht zusammenzuckten.
»Aha, der Besuch aus dem fernen London. Da haben mich meine Ohren wohl nicht getrogen.«
Ein Mann in unserem Alter lächelte uns an. Auf eine Kutte hatte Bruder Anselmo verzichtet. Stattdessen trug er eine braune Hose und dazu einen schwarzen Pullover mit hohem Kragenbund.
Er lächelte uns an. Um die Augen herum entstanden zahlreiche kleine Falten. Der Blick war klar und offen. Er besaß dichtes dunkelblondes Haar, ein energisches Kinn und eine gerade Nase. Er wirkte vertrauensvoll, und seine Art erinnerte mich ein wenig an meine Templerfreunde in Südfrankreich.
Auch sie gaben sich weltoffen und waren sowohl an allem Neuen als auch an den alten Dingen interessiert.
Aber hinter Anselmo steckte eben Father Ignatius, der Chef der Weißen Macht, die so etwas wie ein Geheimdienst des Vatikans war. Ignatius hatte seine Leute fast überall, auch an Stellen, wo man sie nicht vermutete.
Er bat uns in sein kleines Reich, wie er es selbst nannte, und das war wirklich untertrieben, denn hier hatte er sich seine eigene Welt eingerichtet. Das hatte nichts mit einer Klosterzelle zu tun, eher mit einer Werkstatt für Elektronik-Fans. Was ich an Geräten sah, war schon beeindruckend, und Bruder Anselmo lächelte, als er meine Blicke bemerkte.
»Man muss eben auch in einem alten Kloster modern sein. Da gibt es keinen Widerspruch.«
»Sind Sie Abhörspezialist?«
»Nicht nur. Es ist mein Hobby. Ich beschäftige mich auch mit Geschichte und fröne einer Computerleidenschaft. Man hat ja hier viel Zeit und wird durch nichts gestört. Ich könnte mir keinen besseren Ort vorstellen, um in Ruhe arbeiten zu können.« Er öffnete eine Tür zum Nachbarzimmer.
»Was sagen Ihre Brüder dazu?«, erkundigte sich Suko.
Father Bruder musste lachen. »Sie wundern sich zwar, aber sie akzeptieren mich.«
»Das ist natürlich gut.«
»Kommen Sie. Hier ist es gemütlicher.« Er hatte den Nachbarraum bereits betreten.
Warmes Licht empfing uns. Es verteilte sich in einem recht großen Raum, dessen Wände mit Regalen vollgestellt waren. Natürlich waren sie mit Büchern gefüllt und nur durch ein recht großes Fenster unterbrochen. Es roch nach dem Leder der alten Sessel und nach Pfeifentabak. Der große Schreibtisch hatte einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Er war so etwas wie das Prunkstück. Eine Lederunterlage war auf der Platte in das Holz eingearbeitet und zu schade für einen Computer als Abstellplatz. Der stand auf einem modernen Glastisch mit Fächern darunter. Der Drucker war ebenfalls angeschlossen, sodass auf dem Schreibtisch nur das Telefon auffiel und die Unterlagen, die der Mönch dort ausgebreitet hatte. Eine Lampe beleuchtete das Ganze, und ich stellte fest, dass es sich bei den Unterlagen um ziemlich detailgetreue Karten handelte, die für ihn wohl wichtig waren.
»Sie forschen?«, fragte ich.
»Ja, ja, ich studiere die Umgebung. Auch die unter der Erde.
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