1297 - Das Blutsee-Quartett
Da habe ich mir einige geotektonische Unterlagen besorgt. Erdbeben sind leider hier sehr häufig.« Er sprach gut Englisch, und so gab es keine Probleme mit der Verständigung.
»Geht es Ihnen nur um die Erdbeben?«, fragte ich.
Bruder Anselmo lachte. »Nein, das sehen Sie doch auch so. Sie sind zwar wichtig, doch nicht in diesem Fall. Ich wollte mir über etwas anderes einen Überblick verschaffen.«
»Es geht um den Blutsee.«
»Sehr richtig.« Der Mönch deutete auf die Sitzgruppe. »Aber nehmen Sie doch Platz. Im Sitzen spricht es sich besser. Ich denke, wir sollten uns zunächst unter uns abstimmen, bevor wir mit dem Zeugen Paolo Cotta ins Gespräch kommen.«
»Sie sind der Chef.«
Und der bewirtete uns auch. Der Cappuccino war schnell hergestellt, denn nebenan befand sich eine kleine Küche, in der alles bereitstand. Drei Tassen standen auf dem Tisch, und bevor noch jemand das Thema aufgreifen konnte, schnitt ich ein bestimmtes an und sprach von der Frau, die der Bruder gesehen hatte.
»Ach. Stimmt das?«
»Er behauptet es.«
Anselmo winkte ab. »Das sollte man nicht so ernst nehmen. Vielleicht träumt er davon.«
»Er wirkte auf uns sehr überzeugt«, sagte Suko.
»Also ich weiß nichts davon. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass hier jemals eine Frau zu Besuch gewesen ist. Meine Mitbrüder wollen unter sich bleiben. Ich habe diese Denkweise akzeptiert und kann immer raus, wann ich will. Ich bin den Regeln hier nicht unterworfen und besitze auch mein eigenes Fahrzeug. Das wollte Father Ignatius so, der ja auch Ihr guter Freund ist.«
»Ja, das können Sie laut sagen.«
»An ihn habe ich mich gewendet. Ich weiß ja, für was er steht, denn mir kam der Pilot Paolo Cotta durchaus glaubwürdig vor. Ich glaube nicht, dass man sich so etwas ausdenken kann, was er erlebt hat. So viel Fantasie hat wohl niemand.«
Ich musste ihm zustimmen, wollte aber noch mal genau wissen, was vorgefallen war. Father Anselmo griff zu einem Zigarillo. Er holte es aus einer Blechdose. »Das werde ich Ihnen sagen.« Er brannte das schmale Ding an, paffte ein paar Mal und lehnte sich entspannt im Sessel zurück.
Wir hörten in aller Ruhe zu, was er uns zu sagen hatte. So erfuhren wir aus berufenem Munde von den Erlebnissen des Piloten, der aus dem Blutsee dieses Quartett hatte steigen sehen.
Nach einigen Minuten legte er seinen halb aufgerauchten Zigarillo in den Ascher und schaute uns erwartungsvoll an. »So, jetzt sagen Sie mir Ihre Einwände.«
»Die gibt es nicht«, sagte ich.
»Und was ist mit Ihnen, Suko?«
Mein Freund zuckte mit den Schultern. »Ich stimme John Sinclair zu.«
»Das ist schon etwas.«
»Ich glaube nicht, dass Sie uns einen Bären aufbinden wollen. Sie werden wissen, wer wir sind, und Sie wissen auch über Father Ignatius Bescheid.«
»Richtig.«
»Eines wundert mich allerdings sehr«, sagte ich.
»Und was, bitte?«
»Es geht mir weniger um die vier Gestalten, sondern um den Blutsee. Ich meine, diese Gegend liegt zwar einsam, aber ein derartiger See ist doch nicht zu übersehen. Die Menschen müssten ihn kennen, sage ich mal. Hat man ihn nie entdeckt?«
»Nein. Nicht mit dieser Füllung.«
Darüber mussten wir nachdenken. Suko ergriff nach einer Weile das Wort. »Meinen Sie damit, dass dieser See sonst nicht mit Blut oder einer ähnlichen Flüssigkeit gefüllt ist?«
»So denke ich.«
»Kennen Sie ihn denn?«
Der Mönch zündete sich ein neues Zigarillo an. »Kennen ist zu viel gesagt. Ich habe hin und wieder kleine Ausflüge in die Umgebung unternommen, und dabei bin ich auch an den Blutsee geraten. Er war bei meinem Besuch nicht mit Blut gefüllt. Das Zeug muss irgendwoher gekommen sein, und zwar aus der Tiefe.«
»Liegen deshalb die Karten auf Ihrem Tisch?«, fragte ich.
»Das ist der Grund.«
»Interessant«, sagte ich mit leiser Stimme. »Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
»Leider nicht«, murmelte Anselmo. »Wie ich herausfand, sind hier keine unterirdischen Ströme eingezeichnet, die genügend Druck haben, um an die Oberfläche zu steigen. Aber ich könnte mich noch intensiver mit dem Kartenmaterial beschäftigen. Es kann sein, dass es doch eine Erklärung für uns gibt.«
»Vorausgesetzt, es handelt sich tatsächlich um Blut«, gab ich zu bedenken.
Er schaute mich für einen Moment starr an. »Damit haben Sie auch wieder Recht, John.«
»Dann könnte uns eigentlich nur Paolo Cotta weiterhelfen. Oder sehen Sie das anders?«
»Nein. Deshalb ist er ja hier.
Weitere Kostenlose Bücher