1297 - Das Blutsee-Quartett
konnten viele Männer träumen. Mit ihr würden es gerne viele treiben. Auch der Pilot hätte so gedacht, wäre ihm diese Person an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit über den Weg gelaufen.
So aber sah er sie mit ganz anderen Augen, und je länger er sie anschaute, desto mehr veränderte sich sein Gefühl ihr gegenüber. Diese Person war nicht auf diesem ungewöhnlichen Weg gekommen, um ihm einen guten Abend zu wünschen, die hatte etwas ganz anderes vor. Obwohl Cotta keinen Beweis hatte, konnte er sich vorstellen, dass ihr Kommen etwas mit seiner Entdeckung am Blutsee zu tun hatte.
Sie hatten noch kein Wort miteinander gewechselt, und Paolo wusste auch nicht, wie viel Zeit verstrichen war. Er fühlte sich von einem Vakuum umgeben, in dem alles andere unterging.
Aber das blieb nicht so!
Die Unbekannte bewegte sich. Der Pilot bekam große Augen, als er ihre Geschmeidigkeit sah. Sie schien ein Gummimensch zu sein, als sie die hockende Haltung verlor, zuerst das rechte Bein ausstreckte, auf dem Boden mit dem Fuß Halt fand und das andere Bein nachzog. Es klappte alles wie einstudiert, und auch der Ausdruck änderte sich dabei. Als sie mit beiden Füßen auf dem Boden stand, spielte ein kaltes Lächeln um ihre Lippen.
Normalerweise erwiderte Cotta das Lächeln einer Frau. In diesem Fall allerdings gefror es ihm auf den Lippen, denn ihr Lächeln stufte er nicht als echt ein. Es kam ihm hinterhältig vor, wie von einer Person abgegeben, die genau wusste, was sie wollte, und dies auch lange geplant hatte.
Noch stand der Tisch mit der Lampe zwischen ihnen. Deren Schein glitt auch in die Höhe und streifte über das Gesicht des Piloten ebenso hinweg wie über das der schönen Blonden mit der wilden Mähne.
»Wer bist du?«, flüsterte Cotta. Er wunderte sich über sich selbst, dass er in der Lage war, sie anzusprechen.
»Ich habe dich gesucht.«
»Was?«
»Ja, dich.«
»Aber wir kennen uns nicht.«
»Ich weiß«, flüsterte die Frau. »Du bist Paolo Cotta, der Pilot und zugleich der Zeuge.«
Über den letzten Teil der Antwort hatte er nicht so richtig nachgedacht und erkundigte sich nur nach dem Namen seiner Besucherin. »Wer bist du denn?«
»Dein Schicksal.«
Die Antwort fand Paolo sogar amüsant und lächelte darüber. »Hat mein Schicksal auch einen Namen?«
»Ja. Du kannst mich Justine nennen.«
Den Namen hatte Cotta noch nie in seinem Leben gehört. Er fand ihn so außergewöhnlich wie die gesamte Person. Er deutete in die Runde und fragte: »Warum bist du nicht auf dem normalen Weg gekommen?«
»Ich liebe eben das Ungewöhnliche. Außerdem ging es mir um dich und nicht um die anderen Personen hier im Kloster. Daran solltest du auch denken.«
»Kann sein. Ja, das sehe ich so. Aber… ich… ich… bin doch nicht wichtig?«
»Warum sagst du das?«
»Weil es stimmt.«
»Nicht für mich«, flüsterte Justine. »Für mich bist du sogar mehr als wichtig. Ich habe ziemlich suchen müssen, um dich zu finden. Das meine ich ehrlich.«
»Nein, ich begreife das nicht. Das will mir nicht in den Sinn. Wieso hast du…«
»Du warst am See!«
Diese schlichte Antwort warf den Piloten fast aus der Bahn. Er wurde kreidebleich und hatte plötzlich einen bitteren Geschmack im Mund. Seine innere Stimme sagte ihm, dass er jetzt verdammt aufpassen musste.
So toll und sexy die Frau auch aussah, hinter dieser Fassade allerdings steckte noch etwas ganz anderes, und das spürte er sehr deutlich. Kälte kroch schleichend in seinen Körper hinein. Er wollte weg.
Weg aus der Nähe dieser verdammten Person. Er schnappte nach Luft und merkte, wie es in seinem Hals zu kratzen begann. Seinen Plan deutete er nach außen hin an, ohne es bewusst getan zu haben, aber die Blonde merkte am Ausdruck seiner Augen genau, was in ihm vorging.
»Du kommst hier nicht so schnell weg, mein Freund. Dafür sorge ich.«
Widerstand regte sich in ihm. »Verdammt, ich bin nicht dein Gefangener.«
»Doch, das bist du.«
Er wollte lachen. Nur erstickte ihm das schon im Ansatz. Selbst der warme Lichtschein schaffte es nicht, die Kälte aus ihren Augen zu vertreiben. Dieser Blick drang tief unter die Haut, als wollte er die Seele eines Menschen durchbohren.
Dann lächelte sie und streckte ihm die linke Hand entgegen. »Es ist besser, wenn du jetzt zu mir kommst.«
»Nein, nein, du gehörst hier nicht her. Ich spüre das. Du bist ein Fremdkörper.«
»Das bestimme ich.«
»Gehe endlich.« Paolo wusste, dass er am kürzeren Ende des
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