13 alte Esel
kann er dann immer noch nicht .«
»Nivea? Du großer Schreck. Stell die Dose lieber wieder in die Küche und frag den Doktor. Zum Fressen muß er was Weiches haben. Am besten eine Maische aus Hafermehl oder Kleie und warmem Wasser, einfach so zum ‘runterschlürfen. Das nährt und tut nicht weh .« Als er hinzufügen wollte: »Bring bei Große-Witte ein paar Pfund auf meine Kosten mit«, fiel ihm das Gespräch mit seiner Frau von vorhin ein. Er stoppte kurz. »Das kostet ‘n paar Mark .«
Hubert zuckte ungeduldig die Achseln. »Ach! Hab’ doch kein Geld.«
»Wieso nicht? Ihr habt doch alle eine Spardose? Vielleicht fragst du, ob du was ‘rausnehmen darfst .«
Über Huberts Gesicht flog ein breites Grinsen so voll innerstem Vergnügen, daß die beiden anderen unwillkürlich mitgrinsten. »Nee«, sagte er halb vorsichtig, halb verschmitzt, sie schräg von unten anblinzelnd, »is nich. Da sind bloß Knöppe drin .«
Es war klar, daß keine näheren Erläuterungen zu erwarten waren. Don Chaussee nahm sich vor, gelegentlich weiterzuforschen, wie die von Frau Martha gehüteten Patentverschluß-Spardosen wohl dem traurigen Geschick anheimgefallen waren, beraubt und mit Knöpfen gefüllt zu werden. Im Augenblick sagte er nur: »Tja, vielleicht erkundigst du dich dann mal, ob sie dir bei Bormanns was abgeben können ?«
Hubert kaute auf seiner Unterlippe herum. »Abgeben« war gut. Als ob wohl ein Mensch auf der Welt freiwillig was abgab. Dann schob er störrisch den Schädel mit den naßdunklen roten Haaren vor: Er würde Hafermehl bekommen! Sein Esel würde nicht verhungern. Er hatte ihm das Beißen abgewöhnt, und er hatte ein Mittel entdeckt, sich ihm zu nähern, und er würde ihn auch noch völlig zähmen. Ein paar lumpige Pfund Hafermehl waren das letzte, was ihn daran hindern konnte.
»Ich geh’ ins Dorf«, sagte er entschlossen, sich unverzüglich und so durchnäßt er war zum Gehen wendend. Ferdi quietschte begeistert: »Ich auch« und trottete eifrig neben ihm her. Vor einer Woche noch hätte er es für unmöglich gehalten, bei solchem Wetter bloß vor die Tür zu gehen. Gerda hielt es sicher jetzt noch für unmöglich. Beim Gedanken daran vergrößerte er unwillkürlich seine Schritte, um sich männlicher seinem Begleiter anzupassen, der, barhäuptig und ohne Mantel, sich ganz augenscheinlich den Teufel um den Regen scherte; und er war überzeugt, daß es auf der Welt nichts Wunderbareres gab, als neben einem solchen richtigen gerissenen und tollkühnen Burschen wie Hubert herzugehen, durch Wind und Wetter.
Don Chaussee zündete sich unter dem Vordach des Schuppens mit gewohnter Umständlichkeit seine Pfeife an, nickte ein paarmal versonnen und blickte den beiden ungleichen Jungengestalten nach, bis der Regen sie verschluckte.
Franziska wollte nach Tisch unbedingt mit zur Försterei, obwohl dabei die Gefahr drohte, daß sich in der feuchten Luft die sonntäglichen Krullen vollends entringelten. Sie hatten auf dem Schulweg schon beträchtlich gelitten. Trotzdem währte Franziskas innerer Kampf mit der Eitelkeit nicht lange und endete in einem Kompromiß: den Regenschirm mitzunehmen.
Leo heulte vor Wonne, als sie unter dem baumwollenen Ungetüm herangewandelt kam, das sich von irgendeinem dörflichen Ausverkauf her ins Heim verirrt hatte, wo es nun dazu diente, jeweils ein halbes Dutzend Kinder zugleich zu beschirmen. Selbst um Andreas’ Mund zuckte es, und Don Chaussee wandte sich schmunzelnd ab. Er hätte gar nicht so rücksichtsvoll zu sein brauchen. Franziska hätte seine Heiterkeit, wie die der anderen, doch nur als Kompliment aufgefaßt. Der Gedanke, man könne sich über sie — die polierte Fingernägel, gelockte Haare und notfalls ein ausgesucht feines Benehmen hatte — amüsieren, kam ihr gar nicht. Zudem war sie immer noch völlig verdattert darüber, daß sie erstmalig bei Frau Martha ihren Willen durchgesetzt hatte.
Unterwegs beschäftigte sich Andreas ausschließlich mit Habakuk. In einer alten Umhängetasche aus Segeltuch schleppte er drei Rüben mit, die er auf dem Weg zur Schule von einem Feld geklaut und während des Religionsunterrichtes mit dem neuen Messer in handliche Brocken geschnitten hatte. Nun fütterte er im Gehen seinen Esel damit. Habakuk war trotz seines Hungers nicht gierig. Er zerkaute im Dahintrotten jeden einzelnen Brocken sorgsam, ehe er den Kopf hob und den vor ihm gehenden Andreas leise mit dem Maul anstupste. Andreas fuhr bei jeder dieser Berührungen aufs
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