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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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an, ich bin es leid !« Sie schrie fast vor Zorn. »Alles!«
    Langsam drehte er sich wieder zum Fenster um. Er konnte ihr nicht einmal böse sein. Es tat nur weh. Und zurückschreien, das war ihm nicht gegeben. Merkte sie denn nicht selber, wie diese dauernde Wiederholung des Gleichen einen zur Auflehnung reizte? Er seufzte.
    Da schob sich eine Kinderhand in die seine. Ferdi war vom Sofa gerutscht und stand, bis hinter die Ohren errötend, neben ihm. Den Mund trotzig geschlossen, die hellen Brauen zusammengeschoben, starrte er in den Regen, den schmalen Jungenrücken ostentativ der Redenden zugewandt.
    Frau Martha schwieg. Sie hatte nicht an den Jungen gedacht, und nun ergriff er gegen sie Partei. Sie war immer gut zu ihm gewesen. Was fanden sie nur alle an diesem Schwächling von Mann? Leo, Franziska, Hubert, Schwester Monika und jetzt auch noch Ferdi — sie liefen ihm ja fast nach. Die Szene hinter dem Busch gestern fiel ihr ein, der Griff um ihren Arm. War er ein Schwächling? Sie wußte es nicht, und noch während sie darüber nachdachte, wurde es ihr wieder gleichgültig. Sie begriff nicht, weshalb sie sich gerade so hatte gehen lassen. Das hatte sie ihm doch alles schon gesagt, weshalb wiederholte sie es nur immer wieder? Sollte er doch machen, was er wollte... Es lag am Wetter, an diesem unleidlichen, stickigen, unerträglichen Tag. Und Herr Ess hatte immer noch nicht wieder angerufen.

    Hubert war das Wetter egal. Einen groben Sack über Kopf und Rücken gestülpt, wie die Bauern es beim Kartoffelbuddeln machen, hockte er auf dem Weidentor. Der Sack war längst durchnäßt; die Hose klebte ihm an den Schenkeln, aus einer Tasche hing ein triefendes weißes Tuch, und bei den Stiefeln kam der Regen oben schon wieder als Überschwemmung heraus. Doch alles das merkte er kaum. Während in seinem Kopf die Pläne quirlten, blickte er unentwegt zu Ephraim hinüber, der sich schwarz und knochig vom grauen Hintergrund abhob, und beobachtete, wie er in hilfloser Geduld alle paar Minuten erneut zu grasen versuchte. Mit peinvoller Behutsamkeit näherte sich das Maul dem Boden, die Lippen schoben sich zurück, so weit es ging, und die Zähne versuchten hungrig zuzufassen. Aber das Wurzelwerk, das auf der Wiese allein noch übriggeblieben war, ließ sich so nicht packen. Es war zu kurz und zu hart, und der kantige Schädel fuhr jedesmal schmerzdurchzuckt zurück. Es ging nicht.
    Hubert runzelte die Stirn. »Das dumme Biest! Verflixt!« Halb ungeduldig, halb mitleidig rutschte er vom Tor und ließ sich zum hundertstenmal alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen, an Ephraim heranzukommen. Sooft er sich ihm vorsichtig näherte, riß der Esel in blindem Entsetzen aus. Statt zu beißen, zog er Leine! Die Aufgabe, ihn zu zähmen, war nur halb gelöst.
    Hubert ärgerte das. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Verbrecher kirre zu machen, koste es, was es wolle. Und dann kam jetzt ein anderes Gefühl hinzu, als er ihn so hilflos sah, etwas, das der »harte« Hubert nicht näher hätte beschreiben können.
    »Mit Köpfchen geht es am besten«, hatte Don Chaussee gesagt. Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Der hatte gut reden.
    Plötzlich schleuderte er den triefenden Sack weg und rannte los. Gegenüber dem Schuppen kletterte er mit einer Behendigkeit, die auf ausgiebiges Training schließen ließ, die glitschignasse Eiche hinauf, rutschte auf dem ersten starken Ast zum Schuppen hin und ließ sich aufs Dach gleiten. Die Dachpappe war ziemlich faul, und darunter konnte man an einer bestimmten Stelle nach Entfernung einiger lockerer Nägel zwei Planken hochheben und sich durchzwängen. Man landete dann genau auf dem Holzstapel, der die rechte Hälfte des Schuppens einnahm. Hubert wußte das, denn er hatte diesen »geheimen« Eingang selbst gebastelt, obwohl der Abstellraum bis zur Ankunft Don Chaussees und seines Vorhängeschlosses stets offen gewesen war.
    Drinnen roch es dumpf und teerig. Das kleine Fenster an der Rückwand ließ sich nicht öffnen. Der festgestampfte Lehmboden war von den Tannennadeln, Spänen und Holzabfällen vieler Jahre mit einer weichen, mulmigen Schicht bedeckt. Wo der Regen durch das undichte Dach tropfte, bildeten sich darin kleine faulige Lachen. Auf den Borden standen Konservendosen mit eingetrockneten Farbresten, daneben, in einer brackigen, mit toten Fliegen bedeckten Flüssigkeit, ein Bündel Pinsel. An der freien linken Wand lehnten Werkzeuge und Geräte. Und irgendwo hinten unter dem Holz

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