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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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fügte er freundlich beruhigend hinzu, »ach, die hat er wahrscheinlich mit seinem eigenen Bauch wieder verwischt .«
    »Wahrscheinlich !« grinste Leo betont, Andreas anfeixend. Es war nicht böser gemeint als sonst; in Leos Welt galt es als Staatsvergnügen, einander ohne überflüssige Rücksicht auf Gefühle anzupflaumen.
    Doch während Leo den ganzen Vorfall im Umdrehen vergaß und längst Franziska anrempelte, die wieder und wieder heulend beteuerte, sie hätte nur einmal in einer Eselskutsche fahren wollen, bohrte sich das zweifelnde »wahrscheinlich« tief in Andreas’ Herz ein. Wenn es nun doch Schwäche gewesen war? Wenn Habakuk alle war, erledigt, verbraucht? Krepierte, wie die anderen drei, die er selbst mit begraben hatte? Andreas bückte sich abwesend nach den schillernden Birkenhölzern, schichtete sie abwesend auf den Karren, folgte abwesend dem Trüppchen heimwärts. Die ganze Zeit über klopfte ihm das Herz merkwürdig gegen die Rippen, langsam und schwer, und er mußte ein paarmal grundlos tief Luft schöpfen, während in seinem Kopf immer dieselbe Überlegung kreiste, verschwommen, aber beharrlich: Wenn Habakuk nicht mehr da war, gab es niemanden mehr, der ihn brauchte. Er hatte nie viel nachgedacht; wozu auch? Das änderte ja doch nichts. Auch über Habakuk nachzudenken änderte nichts, und doch konnte er es nicht lassen. Der Gedanke ging einfach nicht fort: Wenn Habakuk nicht mehr da war, brauchte ihn keiner mehr. Und er wollte, daß ihn einer brauchte. Er wollte Habakuks Maul auf seiner Hand fühlen; er wollte spüren, wie sich Habakuks knochige Kruppe schutzsuchend gegen seine Hüfte preßte, der dicke Schädel ihm mahnend in den Rücken stupste. Er wollte wieder und wieder erleben, wie sich aus der Schar der Esel einer löste und auf den Zaun zustuckerte, wenn er »Habakuk« rief. Und gerade Habakuk mußte es sein, der ihn brauchte: ein alter, klappriger Bursche, der sonst keinen einzigen Freund hatte auf der Welt, der genauso verlassen war wie er selbst.
    Der Gedanke wurde ihm lästig, und er verstärkte das Herzklopfen. So versuchte er ihn abzuschütteln. Schließlich war auch das egal. Alles war schließlich egal — bis sich im Gehen seine Hand in die struppige Mähne verirrte und ihm vom mageren Halskamm her eine nie erlebte Wärme in die Finger rann, den Arm entlang, genau dahin, wo das Herz so unsinnig klopfte. Da war es dann doch nicht egal. Nein, Habakuk durfte nicht sterben.

    »Die Chefin ist böse! Seit vier Uhr warten wir mit dem Kaffee, und jetzt ist es fast dunkel. Ich würde es ja nicht wagen, so unpünktlich zu sein !« Schwester Monika flüsterte es aus dem Schlafzimmer, wo sie Wache gehalten hatte, Don Chaussee zu. Ihre Miene schwankte zwischen Ängstlichkeit und Bewunderung. Erst gestern hatte sie Herrn Müller auseinandergesetzt, daß der Mann ihrer Chefin gar nicht, aber auch schon gar nicht ihr Typ sei und daß er in puncto Frische und Stattlichkeit überhaupt nicht mit ihm, Herrn Müller, konkurrieren könne, nur habe er dabei so ein gewisses Etwas: Zum Beispiel grinse er bloß, wenn sie alle in der Aufregung fast ertränken, und er sei so einfallsreich in seinen Komplimenten und habe sowohl für die lümmeligen Jungen wie auch für sie, Schwester Monika, und ihre zarteren Seelenregungen ein so feines Verständnis, und man merke ihm an, daß er weit in der Welt herumgekommen sei. Und die Sache mit dem komischen Hut und den alten Hosen sei sicher nur eine kleine Schrulle, über die man nach einiger Gewöhnung bald hinwegsehe, und dann sei eben unverkennbar, daß es im Heim bei weitem nicht mehr so langweilig sei wie früher. Herr Müller hatte diesen und einer längeren Reihe ähnlicher Ausführungen mißtrauisch gelauscht und schließlich gefunden, daß Schwester Monika dafür, daß Don Chaussee nicht ihr Typ war, ganz ordentlich für ihn schwärmte, was sie aber entrüstet von sich gewiesen hatte.
    Wie dem auch sein mochte: Der Einstieg durchs Schlafzimmerfenster und in die bürstenbewaffneten Hände von Schwester Monika erwies sich für die Kinder immer häufiger als letzte Rettung, und die Schwester wurde von den ehemals so feindlichen Zöglingen nach und nach mit beinahe freundlichen Augen angesehen. Und da sie tatsächlich ein netter, braver Mensch war, gefiel ihr dieser Zustand viel besser, und am besten gefiel es ihr, vor Don Chaussee stets neue Proben ihres mütterlichen Herzens ablegen zu können.
    Als er jedoch heute der albern giggelnden, triefenden und

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