13 alte Esel
hatte er seinen einzigen Besitz versteckt: den Pappkarton, der ihn auf all den krummen Wegen seines Kinderlebens begleitet hatte. Hubert rumorte im Halbdunkel, stieß in seiner Ungeduld einen Kanister mit Petroleum um, begoß sich mit der Flüssigkeit aus der Pinselbüchse, trat unten so heftig auf eine Harke, daß ihm oben der Stiel gegen die Stirn fuhr, und fluchte fortwährend leise vor sich hin. Nacheinander schob er eine Schüppe, einen Hammer, Nägel, ein paar der längsten Birkenknüppel und schließlich eine Rolle mit Drahtresten aufs Dach. Nachdem er die Pappe nachlässig über die Öffnung gezogen hatte, warf er das Werkzeug hin, sprang hinterdrein und machte sich im Regen an die Arbeit.
Das Rauschen der Blätter und das Trommeln der Tropfen aufs Hausdach dämpften alle Geräusche von draußen. Als dumpfes Plop-plop-plop nur drang das Hämmern auf der Weide durch die wattige graue Regenwand, aber das genügte. Ferdi sah Don Chaussee an wie Meier den Förster, wenn der die Flinte von der Wand nahm. Er vergaß Frau Marthas unbegreifliches Schimpfen. Gegen den Regen hatte er einen Wettermantel mit Kapuze. Don Chaussee nickte. Sein Sombrero hatte schon schlimmeren Güssen standgehalten. Einträchtig gingen sie dem Klopfen nach.
Ganz hinten, im letzten Zipfel der Weide, fanden sie Hubert damit beschäftigt, die Birkenknüppel in anderthalb Meter Abstand vom Draht zu einem drei Meter langen neuen Zaunstück in die Erde zu rammen.
»Falle«, knurrte er erklärend und zerrte die Drahtrolle zum Ende der Pfahlreihe hin. Don Chaussee packte schweigend mit an. Ferdi hüpfte auf einem Bein durch den Regen, aufgeregt wie immer, seitdem er dieses Leben entdeckt hatte, in dem jeden Moment etwas Spannendes passieren konnte. »Was ist das? Wozu macht man das? Wieso ist das ‘ne Falle? Das bleibt ja auf der schmalen Seite offen. Sieht aus wie ein Gang und...«
»Halt die Schnauze !« brummte Hubert, das letzte Drahtende festwickelnd, und fügte auf einen Blick von Don Chaussee etwas milder hinzu: »Wart’s ab, wir sind gleich soweit.«
Ferdi war bis vor vierzehn Tagen keine Jungen und keine Grobheit gewohnt gewesen und seither nur Jungen und Grobheit. So glaubte er, das gehöre nun einmal zusammen, und nahm es nicht übel, schon gar nicht von Hubert, seinem bewunderten Vorbild. Mit andächtig aufgerissenen Augen verfolgte er, wie sich Hubert nun, das weiße Tuch schwenkend, Ephraim näherte und ihn, als er davonlief, geschickt in die vorbereitete und abgetrennte Wiesenecke trieb. Wie ein Irrwisch flitzte er von rechts nach links, schnitt dem Esel hier den Weg ab, lenkte ihn dort auf den Gang zu, versperrte ihm wedelnd den Ausweg zur offenen Wiese und hatte ihn im Handumdrehen genau in jenem schmalen Drahtverhau, in dem sich Ephraim zwar knapp umdrehen, aus dem er aber nicht mehr entwischen konnte.
Don Chaussee nahm Ferdi beim Ärmel und zog ihn ein Stück weit weg, während sich Hubert Ephraim näherte. Der starke Esel zitterte am ganzen Körper. Hubert hatte in der vergangenen Woche mehrfach gelesen, der Ton der menschlichen Stimme sei ein wichtiges Instrument im Umgang mit Tieren, und er bemühte sich nun redlich, der seinen einen gedämpft beruhigenden Klang zu geben. »Ääffrahim — guuter Kerl — ich tuu’ dir ja gar nichts...«, brummte er langgezogen, die Hand mit dem Tuch zentimeterweise vorstreckend. Die Eselslippen wölbten sich, als wollten die entblößten Zähne zubeißen, doch die Augen waren voll wilder Furcht auf das Tuch gerichtet, und der Kopf fuhr statt nach vorn immer weiter zurück, bis er wie ein stummer Schrei senkrecht vor dem Rücken stand. Hubert überlief es schnell heiß: daß er solche Angst vor ihm hatte! Seine Hand, die zu beruhigendem Klopfen bereit war, traf auf Schreckstarre Muskeln, hart hervortretende Rippen. Er sagte flach: »Wenn er noch ‘¿en Tag nicht frißt, ist er hin. Die Schnauze — pfui Deibel...« und zuckte erbittert die Achseln. Hatte er das vielleicht gewollt? Immer ging alles anders aus, als man vorher dachte. Und dabei hatte er so gründlich nachgedacht. Don Chaussee nickte. Verbrannt, geschwollen, abschälend — das Eselsmaul war kein schöner Anblick. »Dr. Kösters gibt dir sicher Brandsalbe, wenn du ihn bittest«, sagte er, und merkwürdigerweise tobte Hubert bei der Vorstellung, jemanden um etwas zu bitten, nicht los. Er sah auf, mit einem Blick, in dem lebenslanges Mißtrauen mit ganz neu gewonnenem Vertrauen rang.
»Ich hab’ Nivea-Creme. Aber fressen
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