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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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einen Schwanz zum Ziehen heraus.
    Dann geschah es.
    Hubert, sich aus dem Getümmel vorn um die Herde herumschiebend, faßte nach dem Schwanz des größten Esels, der sich ganz in die Ecke zurückgezogen hatte. Sowie aber der Esel, ein dürrer, über und über mit Blut beschmierter Kerl, seinen Schwanz angefaßt fühlte, sprang er herum, sein mächtiger knochiger Schädel mit wilden Augen schoß vor, die Kiefer klappten auseinander und schnappten zu. Ehe einer der anderen sah, was vorgegangen war, hörten sie schon Huberts Gebrüll. Der Esel hielt ihn fest. Seine Zähne hatten durch Jacke und Hemd in den Oberarm gepackt.
    Lähmende Stille sank über die eben noch tobende Gruppe. Hubert war kalkweiß geworden unter der dunklen Schicht der Sommersprossen, die sich jetzt scharf von den schmerzverzerrten Backen abhoben. Änne raste ins Haus zurück, um Hilfe zu holen.
    »Der wird gleich ohnmächtig«, flüsterte Ulrike Gerda zu, und ihr Flüstern schien laut in der Stille. Sie verstand etwas davon, denn ihr Vater nahm sie häufig mit auf seine ausgedehnten Krankenfahrten, um unterwegs ein wenig Gesellschaft zu haben.
    Gerda zuckte spöttisch die Schultern. »Na, wenn schon. Er hat ja so einen großen Mund, der Angeber .«
    »Du bist gemein !« Die freundliche Ulrike war kaum wiederzuerkennen. Mit Zornestränen sah sie auf die verblüffte Gerda. »Ich hol’ Vater!« Sie schnappte sich ihr Rad und fuhr davon, so schnell sie treten konnte. Benommen sahen ihr die Kinder nach.
    Vom Haus her kam Don Chaussee mit langen Schritten auf die Wiese zu, Schwester Monika mit dem Verbandkasten hinter sich. Die Gruppe um Hubert wich scheu zurück, als er sich vorsichtig dem Esel näherte, der ein Ohr zurückklappte, Hubert stöhnte zwischen zusammengebissenen Zähnen. Der Esel wich zur Seite aus; Hubert mußte sich mitdrehen.
    »So geht’s nicht«, murmelte Don Chaussee und sah kurz auf die stumm Dastehenden. Sein Blick traf Andreas. Er nickte mit dem Kopf, und Andreas gehorchte sofort. Leise, langsam, die Zähne vor Spannung in die Unterlippe gegraben, glitt er auf die andere Seite des Esels, der mit den kleinen Augen tückisch und zugleich furchtgejagt abwechselnd nach rechts und links auf die Näherkommenden schielte. Er zitterte am ganzen Körper, seine kurzen, heftigen Schnaufer mischten sich mit Huberts leiser werdendem Stöhnen.
    »Nun, nun, nun«, brummte Don Chaussee und gab im gleichen besänftigenden Ton Andreas seine Anweisungen. »Vorsichtig, Junge, vorsichtig! Er darf keinen Satz nach vorn machen, verstehst du? Nicht hergucken, immer auf seine Augen sehen, ein wenig schräg von vorn auf ihn zu. Und dann — an den Hals — jetzt!« Beide hatten zugleich den letzten halben Schritt im Sprung zurückgelegt, dem Esel, der auch springen wollte, zuvorkommend. Nur einen Ruck nach oben hatte er noch machen können, ganz wenig, doch es genügte, Hubert wirklich ohnmächtig werden zu lassen. Schwester Monika lief herbei und hielt ihn fest, während Don Chaussees Hand sich an den Lefzen entlang in das Eselsmaul schob und die Kiefer von innen auseinanderzudrücken versuchte. Andreas sah, den Hals mit aller Kraft umklammernd, kurz in das Gesicht des »Zirkusclowns«, das jetzt vor Konzentration hart und angespannt und so gar nicht clownig war. Dann sah er fasziniert auf die Hand, die sich im Eselsmaul drehte, preßte, gegen die Laden drückte.
    Die Umstehenden hielten den Atem an. Alle starrten auf die langen gelben Zähne, über denen die schwarzen Lippen im verbissenen Festhalten hochgerutscht waren und die sich endlich, endlich bewegten, unmerkbar fast, einen viertel Zentimeter, einen halben — und losließen.
    »Uff!« Andreas wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Der Esel sprang in seine Ecke zurück und schnaubte böse. Don Chaussee und Schwester Monika kümmerten sich um den Ohnmächtigen, von den Kindern, die bleich Und sehr kleinlaut waren, in weitem Kreis umstanden. Malwine lag auf dem Boden und vergrub das Gesicht schaudernd in den Händen. Schwester Monika machte ihren geliebten Verbandkasten nahezu leer, ehe sie die Schere fand, die ganz obenauf gelegen hatte und von ihr mit einem Gazelappen zugedeckt worden war. Hochrot vor Verwirrung und Lampenfieber — bisher war ihr nie mehr als ein zerschundenes Knie oder ein aufgekratzter Mückenstich oder eine ähnliche Verwundung anvertraut worden — schnitt sie zuerst einen großen Winkel in den Ärmel, trotz der zitternden Hände darauf bedacht, ihn so anzulegen, daß

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