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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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Damenstrümpfe kaputt. Und auf den Wegen lassen Sie das Gras wieder wachsen. Glauben Sie wirklich, da ist noch Wurzelwerk drin ?« Herr Ess stocherte mit dem Absatz im Sand herum.
    »Bestimmt .« Don Chaussees Stimme klang, als wisse er, wovon er sprach. Nicht anmaßend, beileibe nicht, nur eben so, als sei es selbstverständlich für ihn, von der Pflege eines Parks etwas zu verstehen.
    Herr Ess stimmte zu: »Machen Sie das, machen Sie es so, wie Sie gesagt haben. Dann ist es genau wie früher !« Er räusperte sich. »Sie wissen natürlich nicht, wie fremd mir das alles hier geworden ist. Früher wäre kein Stückchen Gras eingefaßt worden. Meine Frau wollte es so natürlich und wild wie möglich, ganz zwanglos. Das waren noch Zeiten, damals...«
    Ein Stück weiter begann er, sich bei Don Chaussee nach dessen verwickeltem Lebenslauf zu erkundigen. Don Chaussee berichtete zögernd, geniert: Zuerst war es das Einerlei des Waisenhauses, das ihn fortgetrieben hatte, und später das Eingesperrtsein in vier enge Wände. »Ich kann nicht drinnen sein, ich muß Luft um mich haben, möglichst viel. Regen, Schnee und Kälte — das macht mir nichts, aber immer gegen Wände sehen — nein .«
    Herr Ess betrachtete ihn mit schnellen, kurzen Blicken, brummte ermutigend: »Hm, hm«, wenn Don Chaussee stecken blieb, und stellte seine Fragen so präzise und geschickt, daß er sich niemals in weitabliegende Schilderungen verlieren konnte. Bei alledem versuchte er sich ein möglichst eindringliches Bild seines Gesprächspartners zu machen. »Und Ihre Frau? Sie waren doch schließlich verheiratet ?«
    Don Chaussee wurde einen Augenblick lang flammend rot. »Ja, ja, das schon«, stotterte er, den Sombrero vor- und zurückschiebend, »wir waren ziemlich jung damals und alle beide allein auf der Welt. Da haben wir dann geheiratet .« Er zuckte ratlos die Schultern und spuckte einen Strahl Tabakssaft auf einen stahlblauen Mistkäfer, der langsam über den Sand kroch. »Wie das so ist, nicht? Aber sie hatte es sich wohl anders vorgestellt mit mir. Ein richtiger Mann muß einen richtigen Posten haben, das stimmt schon. Mit Aufstiegsmöglichkeiten. Sie hat immer gute Posten gehabt, und sie ist so tüchtig und immer beschäftigt, und keine Arbeit ist ihr zuviel. Tja, und da konnte ich nicht mit, wo ich’s doch drinnen nie aushielt .« Nach ein paar tiefen Zügen an der Pfeife verlor sich seine Aufgeregtheit. Stiller fuhr er fort: »Es hat ihr nicht viel gefehlt, als ich dann wegging. Sie kam ohne mich besser vorwärts. Sie hat mir auch hin und wieder geschrieben. Krach hat es nicht gegeben. Wir mögen das beide nicht. Sie ist eine gute Frau. Und eine tüchtigere gibt es bestimmt nicht...«
    Herr Ess ließ ihn weitersprechen, und was er hörte, war dazu angetan, ihm diesen mickrigen, unauffälligen Mann in einem sympathischen Licht erscheinen zu lassen. Er verstand das: die Unruhe auf dem Bürostuhl, wenn man hungrig ist nach frischer Luft, der immer neue Versuch, sich dreinzufügen, das immer lockendere Aufblitzen der Bilder freier Weiten, endloser Landstraßen mit hohen, heißen Himmeln, schließlich die Flucht aus Hilflosigkeit und die Scham bei der Rückkehr. Er mochte ihn. Seine schlauen, schmalen Augen, die schon so viele Menschen geprüft, am richtigen Platz eingesetzt und Jahre hindurch beobachtet hatten, übersahen den komischen Hut, die schlotternde Hose und die grellen amerikanischen Hosenträger. Das unverkennbar Landstreicherhafte — weniger im abgetragenen, bei aller Sauberkeit doch irgendwie schäbigen Äußeren als vielmehr im Sprechen und Gehen, in den Gesten, dem jähen Grinsen — war nicht zu übersehen, doch Herr Ess spürte darunter sein besonderes Wesen: heiter, pfiffig, ja, kindlich weich. Am merkwürdigsten freilich berührte es ihn, daß man sich, wenn man diesem kümmerlichen Don Chaussee soviel Verständnis entgegenbrachte, beim besten Willen nicht selbstgerecht Vorkommen konnte; man spürte zu deutlich, daß er seinerseits sich nicht minder willig um Verständnis für seine Umgebung bemühte und auch ganz simpel voraussetzte, daß jedermann — Herr Ess eingeschlossen — des Verständnisses bedürfe. Das hielt ihn ebenso weit entfernt von Unterwürfigkeit wie von Selbstüberschätzung. Er war ein Mann, mit dem man sprechen konnte, entschied Herr Ess. »Setzen wir uns«, sagte er unvermittelt und ließ sich am Rand der Sandkuhle einfach ins Heidekraut fallen. Über ihnen wölbte sich ein warmblauer

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