13 alte Esel
»Wie früher, Münte, was? Das waren Zeiten damals — hahaha! Also, das hätten Sie mal erleben sollen, Don Chaussee !«
Dann lachten sie, erzählten alle gleichzeitig und zogen sie, Schwester Monika, auf, sooft sie mit einer neuen Flasche Bier draußen erschien.
Mitten in die angeregte Unterhaltung platzte Gerda hinein. Schon von weitem schrie sie: »Bei den Eseln ist wieder was los. Da verprügeln sie sich mächtig. Und der Esel hat ihn diesmal ins Bein gebissen !«
»Wen?«
»Hubert!«
Hubert war kreideweiß. Er hielt die Luft an, solange es ging; dann konnte er nicht mehr. Ein Stöhnen rasselte aus der Brust hoch, zwang ihm die zusammengepreßten Lippen auseinander. Zentnerschwer, wie ein glühender Bleiklumpen, hing ihm der Arm aus der Schulter. Das Bein schwoll. Vor seinen Augen zog sich grauer Nebel zusammen.
»Na, na«, brummte Dr. Kösters, »nun werd mal nicht wieder ohnmächtig. Ich bin gleich fertig. Hier ist eine Pille. Schlucken — etwas Wasser hinterher. So ist’s gut. Und wehe, wenn du noch mal aufstehst, ehe ich es erlaube !« Sein Ton war unvermittelt sehr knapp und entschieden geworden.
»Er ist jetzt bestimmt ganz, ganz vernünftig, Herr Doktor .« Schwester Monika deckte ihn zu und strich die Kissen hübsch glatt. »Wir wollen doch bald wieder gesund werden, nicht, Hubertchen ?« Huberts Gesicht verzog sich angewidert. Blöde alte Gans, dachte er wütend. Diese blöde zuckrige Säuselei sollte sie sich für die Mädchen aufbewahren. Sonst kümmerte sie sich kaum um einen. Vernünftig! Was wußte die denn überhaupt davon? Hatte sie vielleicht Arm und Bein in der Zange dieser gelben Hauer gehabt? Das eklige Schnaufen gehört? So ein Satansvieh. Das Rabenaas hatte über ihn gelacht. Aber er würde diesem Hund von einem Esel schon zeigen, wer der Stärkere war! Da fiel ihm ein, daß die Esel ja nur für einen einzigen Tag hier gewesen waren und jeden Moment abgeholt werden konnten. Es durchzuckte ihn schmerzhafter als die Stiche in Arm und Bein: Er lag hier, und die Esel gingen weg, und der Alte, sein Feind, ging als Sieger. Hilflose Wut schüttelte ihn, schwemmte ihm Tränen in die Augen.
Schwester Monika räumte seine Sachen weg. Auf das Tischchen muß ein Blumenstrauß, überlegte sie, Krankenzimmer sollen freundlich sein, das ist gut fürs Gemüt. Sie begriff zwar nicht ganz, was das Gemüt mit einem Eselsbiß zu tun hat — zumal nicht mit einem selbstverschuldeten —, aber es stand in allen Lehrbüchern, und im Kursus war es auch gesagt worden. Und ein hübsches gesticktes Deckchen mußte darunter, und... Durch einen merkwürdigen Ton aus ihren Überlegungen aufgestört, drehte sie sich um: Der weinte doch nicht etwa? »Hubertchen«, tröstete sie malzbonbonmilde, »tut es denn so weh? Du bist doch ein tapferer Junge. Gleich wirst du schlafen. Die Tablette...« und fuhr erschrocken zurück. Der Kranke hatte sich ohne Rücksicht auf seine Schmerzen wild herumgeworfen. Sein Gesicht war verzerrt: Scharf hoben sich die Sommersprossen von der grauen Blässe ab; der Mund war schief vor Wut.
»‘raus !« fauchte er. Seine Stimme überschlug sich, »‘raus — ‘raus !« Schwester Monika rang nach Luft. Gerade noch hatte sie sich alle möglichen Gedanken darüber gemacht, wie man sein Zimmer freundlich ausschmücken könnte, und nun dies! Das war der Dank! Frau Martha hatte recht, wenn sie sagte, diese üblen Burschen seien nur mit eiserner Strenge in Zucht zu halten. Und so streng wie möglich sagte sie, sich gekränkt zu ihrer vollen Höhe von einssechzig aufrichtend: »Hubert, du bist ungezogen! Wir wollen alle dein Bestes. Du wirst sofort ruhig liegen und...«
»‘raus !« keuchte er mit erstickter Stimme und ohne hinzuhören. »Ich will nicht schlafen! Ich will niemanden sehen. Ich will allein sein .« Er lief vor Wut und Schmerzen und rasender Anstrengung rot an. »‘raus!«
Schwester Monika wollte etwas erwidern, als sie sich hinten am Gürtel angefaßt und nachdrücklichst zur Tür hinausgezogen fühlte. »Ja, aber...«, japste sie.
Don Chaussee sah sie ein wenig verlegen an. »Ist am besten so«, begütigte er, »lassen Sie den man allein. Ich werd’ schon fertig mit ihm — später.«
Schwester Monika war noch zu überrumpelt, um sich ihre ganze Empörung über das Verhalten dieses frechen Lümmels, den sie so hingebungsvoll pflegte — oder doch immerhin pflegen wollte —, von der Seele zu reden. »O bitte, von mir aus«, meinte sie spitz, »ich hab’ genug
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