13 alte Esel
seien ihre Lieblinge! Wenn es dem Herrn Freude mache, den Garten zu sehen...? Fast eilig erhob sie sich und schritt ihm wieder über den fliesenbelegten Flur voran und ein paar Steinstufen zum Keller hinunter. Don Chaussee schnupperte: Der säuerliche Geruch eingemachter Faßbohnen schlug ihm entgegen, und aus dem Obstkeller quoll der schwere Duft runzelnder Birnen. Sie öffnete die Tür zum Gartenzimmer, einem weißgekalkten Raum, in dem sich rings an den Wänden in Fächern säuberlich aufgereiht die Geräte befanden, während auf langen Regalen darüber Vase an Vase stand. Unter den Fenstern, durch deren Blätterbewuchs grünes, kühles Licht einfiel, war der lange Arbeitstisch zum Blumenschneiden, Zwiebelverlesen, Samensortieren und Gemüseputzen. Auf dem Boden davor lag ein Holzrost auf dem Zement; in Fräulein Lisbeths Welt fürchtete man Gicht und Rheumatismus noch und achtete auf warme Füße.
Mit dem Kopf auf die Regale weisend, sagte sie mit leisem Stolz: »Wir versorgen von hier aus auch die Kirche mit. Eine schöne Arbeit!«
Dann schritten sie nebeneinander durch den Pfarrgarten, und wenn Don Chaussee im Hause schon eine nie gekannte Wohligkeit empfunden hatte, so war ihm nun, als betrete er eine ganze Welt tröstlicher Geborgenheit. Nie hatte er einen lebendigeren Garten gesehen, und obwohl die Wege kiesbestreut, die Rabatten mit Buchsbaum eingefaßt und adrett unterteilt, die Lauchstengel und Kohlstrünke wie Soldaten in Reih und Glied ausgerichtet waren, schien doch nirgendwo dem Wuchern und Blühen hart Einhalt geboten. Phlox und Federnelken vergingen schon sacht, dafür erblühten, wo immer ein Eckchen frei war, Zwergastern und Zinnien; die Veranda war wild überstrudelt von üppigen Büscheln tief roter, fester kleiner Rosen, und vor den langen Mauern zu beiden Seiten glühten Strauch an Strauch in satten Farben Dahlien und Georginen. Sonne und Stille schienen, eingefangen, hier hängen zu bleiben. Und natürlich waren Bienen da, vierzehn Körbe in einer verwunschenen Ecke hinter der Aschengrotte mit den Gartenstühlen. Der Komposthaufen erweckte wieder irdisches Fühlen in Don Chaussee, lebhaften Neid nämlich ob der umfänglichen, strotzenden Mächtigkeit.
Fräulein Lisbeth, die seinen bewundernden Blicken folgte, strahlte auf. »Gut anderthalb Jahre alt«, erklärte sie mit fast zärtlichem Wink zum sauber geschichteten Rechteck, »daneben fangen wir schon den neuen an; dieser ist gerade reif .«
»Ah«, sagte Don Chaussee entzückt, »der hat aber auch sein gut Teil Jauche mitgekriegt !« , was Fräulein Lisbeth lebhaft bestätigte. Es entspann sich eine eingehende Debatte über die Vorzüge von Misterde, Kalkzusätzen, Umschichtungen, Jauchegruben und Kuhdünger bei der Anlage eines richtigen, saftigen Komposthaufens, und daran schloß sich ganz von selber eine gründlichere Erörterung der Bodenbeschaffenheit dieser Gegend an; Don Chaussee zerkrümelte kennerisch eine Handvoll der gepflegten Gartenerde; und dann war man im Obstgarten angelangt, und Fräulein Lisbeths Augen glänzten, als sie von Veredelungen, Aufpfropfungen und ihrer kürzlich durchgeführten erfolgreichen Ungezieferbekämpfung sprach.
Während all dieser Erwägungen verlor der Besucher keinen Augenblick lang das Gefühl der Geborgenheit; keines der kernigen Worte riß ihn aus der Versponnenheit, die ihn seit einer Stunde umfing. Der heimliche Zauber hatte ja beileibe nichts mit Unwirklichkeit zu tun. Fräulein Lisbeths Welt war durchaus wirklich — gerade weil das Schöne so zweckvoll, das Nützliche so anmutig war, beglückte es.
Fräulein Lisbeth hatte rote Backen vor Eifer und drängte ihm schließlich sogar mit leiser Gewalt eine Tüte voller Knollen, Samen und Zwiebeln auf, bot ihm Buchsbaum zur Einfassung seiner Beete an und lud ihn zu baldigem erneuten Besuch ein. Don Chaussee versprach ihr frische Binsenmatten für ihr Glasbeet und schied als alter Freund.
An den Herrn Pfarrer dachten sie beide nicht mehr.
Der Lehrer sagte, er freue sich, Herrn Krapp kennenzulernen.
Von tobenden Kindern umtollt, schritten sie in der letzten Pause über den Schulhof. Die Kinder, nach denen sich Don Chaussee erkundigte, standen mißtrauisch in der entferntesten Ecke und starrten feindlich zu den beiden Männern hin.
Der Lehrer wiegte den Kopf. Tja, was solle man schon im einzelnen sagen? Hubert sei der intelligenteste; Änne sei auch nicht dumm, jedoch wegen ihrer schnippischen und frechen Art am unbeliebtesten, eine rechte
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