13 alte Esel
Schwester Monika«, sagte Don Chaussee einen Augenblick später im Wohnzimmer, »ich brauche Ihren Rat .«
»Och, Sie!« Schwester Monika hatte in ihren vierundzwanzig Lenzen noch niemanden getroffen, der sie »Verehrte« genannt hatte, und daß man ihren Rat suchte, kam auch nicht gerade alle Tage vor.
Don Chaussee blieb todernst. Halblaut und mit einem bedeutungsvollen Seitenblick zur Küche hin raunte er: »Sie wissen, meine Frau mag keine Tiere im Haus. Nun ist aber zufällig ein Igel zu Hubert ins Zimmer gekrochen, ein winziger, hilfloser junger Igel. Hubert ist ein schwieriges Kind« — Schwester Monika, die mit offenem Mund zugehört hatte, nickte an dieser Stelle energisch —, »das hängt mit gewissen psychischen Bedingungen zusammen, über die wir uns gelegentlich mal ausführlicher unterhalten können. Nun haben Sie mit Ihrem mütterlichen Herzen« — Schwester Monika errötete lieblich — »aber auch schon erfaßt, daß man Geduld mit ihm haben muß. Der Igel kann sich als ein wichtiger Erziehungsfaktor erweisen. Wie machen wir es nur, daß meine Frau ihn nicht hinauswirft? Da können nur Sie mir raten .« Er blickte sie eindringlich an.
Schwester Monika hörte »psychisch« und »Faktor« und »mütterliches Herz«. Ihr schwirrte der Kopf. Reden konnte der! Dabei war das mit dem Igel ziemlich einfach. »Ihre Frau geht nur gegen elf einmal zu Hubert und sieht nach ihm. Da gehe ich vorher ‘rein und bring’ den Igel in mein Zimmer .«
»Vorzüglich. Und wo lassen wir ihn nachts ?«
Sie zögerte kurz. »Auch bei mir«, sagte sie heroisch. Ein banger Gedanke kam ihr. »Der beißt doch nicht ?«
Don Chaussee sah sie strahlend an. »Vor-züg-lich! Nein, der beißt bestimmt nicht. Wenn Sie ihn sehen, merken Sie sofort, daß er für Menschenfleisch noch zu jung ist. Der nimmt grad erst Doppelkorn .« Fast feierlich verabschiedete er sich. »Wissen Sie, was Sie sind? Eine Perle!«
Schwester Monika staunte.
Don Chaussee traf auf halbem Weg zum Dorf Willem Münte auf dem Kartoffelacker. Der junge Bauer kam gleich an die Straße und wechselte ein paar Worte mit dem neuen Mann von der »Filla«, wie das Sommerhaus seit seinem Bestehen in der Nachbarschaft hieß. Man qualmte ein Weilchen, verstand sich so auf ruhige Art, dachte an den fröhlichen Morgen mit Herrn Ess, beschloß, bald mal im Krug gemeinsam einen zu zwitschern, und kam — Willem hätte sich nicht auf den Tod erinnern können, wie — auf Mist zu sprechen. Kuhmist. Als Don Chaussee sich verabschiedete und davontrottete, faßte sich Münte erbleichend an den Kopf: Hatte er ihm wirklich eine ganze Karre voll für seinen Garten versprochen? Ach du liebe Güte, das gab Krach mit »Moder«, die schon seit Jahr und Tag schimpfte, weil sie nicht mal genug für ihren eigenen Garten bekam. Kuhmist war heutzutage viel zu knapp, nicht für Gold was dazuzukriegen. Und er... Man besser vorläufig gar nicht davon reden, beschloß er. Aber wie ihm das passiert war — also nee, nicht auf den Tod konnte er sich erinnern...
Bürgermeister Große-Witte hätte genauer sagen können, wie er die drei fast neuen Wurzelbürsten und das Maiglöckchenparfüm in der nur etwas angequetschten Verpackung losgeworden war, doch er zog es im Hinblick auf seine energische bessere Hälfte ebenfalls vor zu schweigen. Die Bürgermeisterin hätte weder für Verpflichtungen aus Stammtischstreichen Verständnis gehabt noch für die Wißbegier ihres Mannes, der eine Stunde lang breit über der Theke lag und Don Chaussee nach dem Nachtleben von Texas ausfragte. Zwinkernd. Erst als sein Kunde weg war, ging ihm auf, daß die Auskünfte — alles in allem — keine drei fast neuen Wurzelbürsten wert gewesen waren. Jetzt ist Schluß, dachte er seufzend, endgültig.
Und ahnte nicht, was ihm alles noch bevorstand.
Frau Dr. Kösters öffnete selbst, als es schellte. Sie stutzte einen Moment lang, nicht weil sie den Draußenstehenden nicht sofort erkannte, sondern weil sie ihn sich nicht so ärmlich und so, nun ja, so alltäglich vorgestellt hatte. Schließlich war er ja seit der Geschichte mit den Eseln Dorfgespräch. Neugierig bat sie ihn ins gute Zimmer. Don Chaussee klemmte sich den Sombrero unter den Arm, zog die Hosenträger höher und wischte sich umständlich die Stiefel ab.
»Er war ziemlich lange hier«, erzählte Frau Kösters ihrem Mann bei Tisch, »ich habe ihn nachher einfach mit in die Küche genommen, und er hat mir von Texas erzählt. Viel Umstände braucht man
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