13 alte Esel
Großstadtpflanze; Leo und Franziska seien gleichermaßen faul; aus Andreas werde man nicht recht klug, er tue den Mund nicht auf und bemühe sich gar nicht, etwas gut zu machen; und die Kletten seien allzu gehemmt und still. Keine Kirchenlichter. Er habe mit allen seine rechte Last, was aber bei der Natur der Sache schließlich nicht verwunderlich sei. Don Chaussee hatte der selbstgefälligen Stimme schweigend gelauscht und ein Gefühl des Unbehagens nicht ganz unterdrücken können. Bei der letzten Bemerkung sah er zu dem imposanten, rotgesichtigen Lehrer auf. »Wie meinen Sie das? Welche Natur welcher Sache?«
Der Lehrer blickte verblüfft zurück. Sollte das ein Scherz sein? Der Mann mußte doch Bescheid wissen! Er entschied sich, daß es ein Scherzchen war, und klopfte dem viel kleineren Don Chaussee so wohlwollend auf die Schulter, daß er fast in die Knie ging: »Na, wissen Sie... !« Er war seit über dreißig Jahren Lehrer in diesem Dorf und kannte nur Kinder, deren Eltern, ja Großeltern ihm ebenfalls bekannt waren. Da spielte ein bißchen Faulheit oder Dummheit keine Rolle; war ja alles gesund, und auf dem Land war das ohnehin nicht so brennend wichtig, wenn sie nur alle anständig blieben und kräftig mitarbeiteten. Aber dieses Gesocks aus den Arbeitervierteln der Städte — nein, nein, da wußte man nie, wo man dran war. Vorsehen war das Beste.
»Ziemlich aufsässig sind sie und ewig im Krach mit den Hiesigen, aber da kommen sie bei mir natürlich nicht durch. Krach gibt’s hier nicht! Notfalls hilft eine Ohrfeige oder besser noch Strafarbeit .« Er lachte. »Davor haben sie einen höllischen Respekt. Nun, und an Ihrer Frau Gemahlin findet man ja auch jederzeit die tätigste Unterstützung! Eine ganz seltene Frau!«
Das Aufschrillen der Schelle beendete die Unterhaltung, ehe Don Chaussee etwas dazu sagen konnte. Er machte sich auf den Heimweg, bis an die Wegbiegung verfolgt von den Blicken der Kinder und des Herrn Lehrers, der etwas unsicher den Kopf schüttelte und insgesamt keinen allzu günstigen Eindruck gewonnen hatte von diesem merkwürdigen Kauz, der da drüben in Amerika weiß der Himmel was gewesen sein mochte und nun, alle Taschen seines formlosen Anzugs vollgestopft, eine Tüte im Arm und einen verrückten Hut auf dem Kopf, in einer Wolke von Staub um die Ecke schlurrte. Hielt sich nicht gerade. Nahm die Füße nicht hoch. Zog sich lächerlich an. Hatte nichts Forsches, Männliches an sich. Der Lehrer nahm die Schultern zurück und schnaufte mißbilligend durch die Nase. Ihm gefiel die Frau entschieden besser!
Don Chaussee stellte bald schon die Tüte auf einem Mäuerchen ab und entzündete mit gewohnter Umständlichkeit seine Pfeife, um für den Rest des Weges unabgelenkt nachdenken zu können, denn er fand diesen ersten gründlichen Dorfbesuch durchaus des Nachdenkens wert.
Wenn man, vom Dorf kommend, hundert Meter vor dem Heim rechts abbog, führte ein schmaler Feldweg schräg auf die Wiese hinterm Schuppen zu.
Freilich war »Wiese« ein viel zu pompöser Ausdruck. Es war nur eine strohtrockene Rodung, in welcher noch ein Teil der Baumstub-ben im Boden steckte; über die ganze hintere Hälfte zog sich kümmerlicher Eichenaufschlag hin; Brombeeren rankten über den Zaun. Nur vorn war wohl früher mal — vielleicht für ein Pony der Kinder des Herrn Ess — Gras gesät worden, das jetzt, verfilzt und verdorrt, von einem verwöhnten Kinderpony sicher verschmäht worden wäre. Die.Esel aber fraßen es gierig.
Sie hatten die Brombeeren schon abgerissen, dem Eichengebüsch fast den Garaus gemacht. An einigen Stellen waren selbst die Graswurzeln ausgerupft und nur kahle Sandstellen übriggeblieben. In den ersten Tagen hatten sie immer in einem dicken Klumpen möglichst weit weg vom Tor gegrast. Jetzt stellte Don Chaussee befriedigt fest, daß ihre Furcht sich etwas gelegt hatte: Locker verteilt, suchten sie sich einzeln ihr Futter. Er erwog, den Draht an der letzten Seite wegzunehmen und um das ganze dahinterliegende Gebüsch zu ziehen. Das war sowieso nicht viel wert. Die Esel würden es mit Genuß ratzekahl fressen. Im Winter könnte man dann alles zusammen roden und vielleicht eine richtige Wiese anlegen, zum Wäschebleichen oder auch für eine Kuh oder ein paar Schafe. Schafe, dachte er, würden ihm besser gefallen.
Sowie er sich der Herde näherte, strebten alle eilig zueinander und in eine Ecke, duldeten es aber, daß er jeden einzelnen Esel abtastete und die Wunden besah. Sie
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