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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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denn die Schule schon früher aus ?« Die Frage erreichte sie nicht. »Wir begraben ihn nachher«, sagte er, »und du hilfst uns, ein Bäumchen auf das Grab zu pflanzen .«
    Sie sah kurz auf. »Hm — und Blumen. So gelbe, wie bei den andern.«
    Don Chaussee schüttelte den Kopf. War sie nun wirklich verrückt? Oder träumte sie nur so stark, daß sich ihr Wirkliches und Unwirkliches vermischte? Die Hand in der seinen fühlte sich an wie gar nicht da. Ob sie überhaupt wußte, wer neben ihr ging? »Malwinchen...«, begann er und stutzte, als sein Blick im Gehen auf das Grab der vorgestern begrabenen Esel fiel. Es blühten tatsächlich gelbe Astern darauf; die ungeschickt in den Boden gesteckten Zweige waren entfernt, der Boden geglättet. Zwei winzige Wacholderbäumchen, irgendwo in der Heide ausgerüpft, waren in die rechte Ecke gepflanzt.
    Wer hatte das gemacht? Wen interessierten die Esel denn hier? Er fragte Malwine, doch die Frage drang nicht bis in ihr Bewußtsein vor. »Im Himmel ist er«, sagte sie, »die Engel fliegen mit ihm« und ging auf den Zehenspitzen weiter.
    Die Beklemmung, die ihn nach dem heiteren Morgen auf der Eselswiese überfallen hatte, steigerte sich bei Tisch so sehr, daß ihm das Essen nicht mehr schmeckte. Er hätte nicht einmal sagen können, woran es lag; irgendwie erinnerte ihn die Runde an das Frühstück des vergangenen Sonntags, nur daß damals Mißmut, Haß, Verstocktheit und Furcht unterdrückt gewesen waren, wie umschlossen von der Kugel der Zucht. Martha hatte unerschütterlich dagesessen, eine Verkörperung kraftvoller Strenge, harter Disziplin. Und dann war mit einemmal die Kugel geplatzt, hatte Risse bekommen, durch die es schwelte. Faulen Dünsten gleich brachen die Ungezogenheiten, die Roheiten, all die vielen schlechten Charakterzüge, die nur unterdrückt, nicht umgewandelt waren, durch diese Risse. Er war kein studierter Mann, und er wußte nicht, ob das alles richtig war, was er sich so dachte; doch wenn man so viele Nächte unter freiem Himmel gewacht hatte wie er, ins Feuer blickend oder zu den Sternen hinauf, vor sich die Leiber der Herde, neben sich den Hund, die angehobbelten Pferde, dann war man ans Simulieren gewöhnt und ans scharfe Hinsehen, ans Wittern fast. Die Kinder saßen nicht mehr so starr und gehorsam da, eine heimliche Unruhe hatte sich ihrer bemächtigt, sie stießen sich mit den Ellenbogen an, grinsten versteckt. Frau Marthas scharfe Rügen wurden, wenngleich schweigend, so doch mit zur Erwiderung geöffneten Blicken hingenommen. Und seine Frau sah — es gab ihm einen schmerzlichen Stich — gealtert aus; nicht »um Jahre«, nein, nur hätte man vor einer kurzen Woche das Wort altern in Verbindung mit ihr nicht einmal gedacht. Sie war auf eine feste, harte Art blühend gewesen. Jetzt zuckte es nervös um ihre Augen; der Mund war überschmal zusammengepreßt.
    »Malwine, so iß doch schon !« Schwester Monika wurde ungeduldig, und selbst Don Chaussee, den sie dabei mit einem schuldbewußten Blick streifte — sicherlich stellte er sich ein mütterliches Herz langmütiger vor —, konnte es ihr nicht verübeln. Malwine stopfte abwesend Kartoffeln und Gemüse in den Mund, sooft sie durch ein scharfes Wort dazu aufgefordert wurde, kaute und schob das Gekaute in die linke Backe, wo es sich zu einem Kloß ansammelte.
    Um seine Gedanken abzulenken, begann er von dem bepflanzten Grab zu erzählen, wobei er die Blicke wie absichtslos in der Runde schweifen ließ. Kein Zucken verriet, wer es gewesen war, bis plötzlich Malwine, als sei es für sie die natürlichste Sache der Welt, Gespräche zu verfolgen, sagte: »Andreas.«
    Zweierlei geschah gleichzeitig. Andreas trat ihr unter dem Tisch heftig gegen das Schienbein und knurrte mürrisch: »Klappe, du Petze !« , und Frau Martha klopfte mit einem harten Knall der Knöchel auf den Tisch: »Malwine, nimm dich endlich zusammen und schluck den Kloß hinunter! Das ist ja widerwärtig !«
    Malwine zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Sie wachte aus ihrer Abwesenheit auf, Tränen schossen ihr in die Augen, sie verschluckte sich, prustete und spuckte. Aller Jammer der Welt sammelte sich in den geröteten Augen, die verscheucht rundum schielten.
    »Was ist denn das schon wieder mit den Eseln ?« erkundigte sich Frau Martha, aufgebracht über den Tumult. Nach dem Bericht herrschte einen Augenblick lang Stille. Wieder ein Esel tot. Spürte der eine oder andere tief innen ein leises Bohren: Dein Schlag

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