13 alte Esel
vielleicht, dein Stein? Es war sofort vorbei. Frau Martha schluckte einmal kurz. Sie war nicht roh und herzlos, und so nah neben sich ein Tier nach dem anderen sterben zu wissen hätte sie unter anderen Umständen wohl gerührt. Aber nicht hier, nicht hier! Gewaltsam jede Bewegung unterdrückend, sagte sie scharf: »Jetzt reicht es mir! Schließlich müssen die Esel nicht unbedingt auf unserer Wiese sterben. Wir sind weder ein Tierasyl noch eine Abdeckerei. Was soll das überhaupt heißen? Was denkt man sich dabei? Todkranke Tiere einfach bei uns abzuladen! Seitdem sie da sind, ist die Hölle los! Das Vernünftigste wäre es, sie schlachten zu lassen .«
»Und dann aufzufressen, damit nix verkommt«, zischte Leo grinsend, worauf sich Franziska auf den Daumen biß, um nicht herauszuplatzen.
»Nein!« Malwine schnellte so jäh hoch, daß ihr Stuhl umfiel. Sie hielt, sich die Ohren zu und schrie gellend: »Nicht schlachten — nein, nein !« Ihre Augen schielten gehetzt um Hilfe.
Don Chaussee fing sie auf, fuhr ihr beruhigend über den Kopf. »Das tut ja niemand«, murmelte er, »sei nur still, sei schön still .« Frau Martha war noch bleicher geworden; ihre Nasenflügel bebten. »Bitte«, sagte sie, »da hast du’s. Deine Esel!« Sie sah ihn zornig und aufgewühlt an; die Worte kamen vor lauter gewaltsam unterdrückter Erregung fauchend. Immer schwerer fiel es ihr, die Selbstbeherrschung zu bewahren, ohne die sie nicht zu existieren vermochte. Die Kinder verfolgten dieses Ringen mit atemloser, grausamer Spannung. Schroff sagte sie: »Schwester Monika, bringen Sie Malwine zu Bett. Geben Sie ihr etwas Baldrian auf Zucker und lesen Sie ihr vor, bis sie einschläft .« Nach einem tiefen Atemzug streckte sie die Hand aus und fuhr der Bebenden ebenfalls über den Kopf. »Schlaf jetzt schön und denk nicht an die Esel. Du mußt gesund und stark werden; dann erschrickst du auch nicht mehr so leicht. Wenn sich die Erwachsenen unterhalten, mußt du gar nicht zuhören; das verstehst du noch nicht .« Sie sprach milde, doch Malwine entzog sich der streichelnden Hand. Nur allzu deutlich hatte sie »schlachten« verstanden.
Don Chaussee sah Schwester Monika an. Der Griff um die dünnen Kinderschultern wurde gleich weicher. »Komm nur, ich erzähl’ dir die Geschichte vom standhaften Zinnsoldaten«, sagte sie. Malwine sah flüchtig hoch, als habe sie eine neue Note in der Stimme vernommen. Dann ging sie mit.
Frau Martha klatschte in die Hände und zog damit sozusagen einen Strich unter die unerfreuliche Angelegenheit. »Die Mädchen schälen heute nachmittag den Korb Birnen zum Mus, die Jungens graben den Garten um. Schulaufgaben müssen heute einmal abends gemacht werden; wir wollen die Helligkeit möglichst ausnutzen. Du weißt Bescheid, Franziska! Ich komme zwischendurch nachsehen, bummle also nicht und laß nicht Änne die ganze Arbeit tun. Ich ziehe mich für den Garten um, die Jungens können schon mal den Spaten holen .« Sie hatte das Heft wieder in der Hand; der bittere Geschmack in ihrem Mund ließ nach.
Don Chaussee fühlte sich so elend wie selten zuvor. Es war alles so falsch, was hier vor sich ging. Freilich hätte er nicht sagen können, wieso, schon gar nicht es abstellen können. Man kann überhaupt nichts einfach abstellen im Leben, dachte er bekümmert. Und jetzt mit dem Garten — wußte sie denn nicht, daß er darin arbeitete? Das leise Bohren, das er bei allen Auseinandersetzungen mit ihr immer spürte, wurde stärker: Geh doch, raunte es in seinem Innern, du bist hier überflüssig, störst nur. Draußen bist du wenigstens ein freier Mensch; der Boß nimmt dich wieder. Laut sagte er, sie ansehend: »Mit dem Umgraben hab’ ich heute morgen schon mal angefangen. Ich — ich — das ist doch viel zu schwer für dich. Herr Ess hatte mich gebeten...«
Spürte sie, wie sich die Ohren aufrichteten, wie hinter den verschlossenen Gesichtern die Spannung wuchs? Noch ein Auftritt? Es fuhr ihr heiß zum Herzen: Ein neuer Eingriff in meine Rechte. Er schleicht sich hier ein, verdrängt mich. Herr Ess hat ihn gebeten, meinen Gemüsegarten zu versorgen? Aber es dauerte nur Sekunden. Diesmal hatte sie sich in der Gewalt. »Gut«, sagte sie, scheinbar gelassen, »dann kann ich mich um die Birnen kümmern. Los, los, wir kochen das Mus dann heute gleich fertig .«
Änne flitzte wieselflink in die Küche, damit ihr nur ja niemand zuvorkam, Hubert das Essen zu bringen. Sie platzte vor Neuigkeiten, die sie ihm unbedingt
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