13 alte Esel
überflüssig vor, bis ihm der Birnbaum neben der Ausfahrt eine neue stellte, der er sich unverzüglich und allen Vorfällen des Nachmittags zum Trotz mit schneeweißem Gewissen widmete.
Ehe Don Chaussee ihn anrufen und an seine Worte über mein und dein erinnern konnte, sagte die alte Frau begütigend: »Nu lassen Sie’s man gut sein; die haben ‘nen schweren Tag hinter sich, un ‘s is ja man auch bloß Mundraub. Un mit einmal kann sich der Mensch auch nich ännern, nich ?«
Dieser Meinung war im Grunde auch Don Chaussee, und so ging er nach herzlichem Abschied und dem Versprechen baldiger Wiederkehr, links und rechts an zwei Stricken je einen Esel mit seligem Reiterchen neben sich, von diesem ersten nachbarlichen Besuch heim. Er zog gedankenvoll an der Pfeife, ohne zu merken, daß sie längst ausgegangen war. Sicher würde Martha ihn wieder für einen Faulpelz halten, zumal er bestimmt meilenweit nach Beerenschnaps roch; und wahrscheinlich hatte sie recht, er brauchte für alles viel Zuviel Zeit. Ein paar passende Worte, gut gewählt und präzise geäußert, würden vielleicht das gleiche Resultat in einer halben Stunde erzielt haben. Oder vielleicht am Ende doch nicht?
Und dann grinste er breit und jäh, denn etwas anderes war ihm eingefallen, als er weit vor sich die birnenschmausenden Jungen und Habakuk mit seiner Ladung in den Feldweg neben dem Heim einbiegen sah. Er hatte den ganzen Nachmittag ununterbrochen geredet, nur von einem nicht, von dem einzigen, um dessentwillen er gekommen war, bereit, mit Willem Müntes Mutter einen heftigen Strauß drum auszufechten: vom Mist. Der war einfach aufgeladen worden.
Herr Ess sprang so hastig auf, daß ihn Frau Martha unwillkürlich strafend ansah, wie einen der Jungen. Schließlich konnte ein Herr nicht mitten im Gespräch mit einer Dame aufspringen und ihr den Tisch halb auf den Schoß kippen! Als sie sah, daß es ihr Mann war, den er so offenkundig erlöst begrüßte, zog sie scharf die Luft ein und blähte dann die Nasenflügel: Schnaps. Es war widerlich.
Herrn Ess schien es nichts auszumachen. »Ah, der Bändiger der Bestien! Wie geht’s , wie steht’s? Wir warten schon auf Sie. Kommen Sie, trinken Sie ein Glas mit. Wir haben da eine feine Flasche aufgemacht — neunundvierziger Ürziger Würzgarten, ein wunderbares Weinchen .« Er schnalzte genüßlich, schüttelte Don Chaussee kräftig die Hand und zog ihn in lebhafter Ungeduld fast die Stufen zur Terrasse hinauf. »Was machen die Esel? Ihre Frau erzählte schon, daß wieder einer tot ist. Was mögen die armen Kerle nur alles hinter sich haben! Na, Sie werden jedenfalls mit dem Rest fertig, wie man sieht. Machen ein Hippodrom auf, wie ?« Er lachte heftig. Die beiden spindeldürren Eselchen, die Bernd und Bubi hinter sich her ums Haus zogen, als Hippodrompferde und Don Chaussee mit der Peitsche als Tingeltangel-Direktor in der Mitte — die Vorstellung amüsierte ihn königlich. »Prost! Auf die Grautiere und unsere Jugend !« sagte er gutgelaunt.
»Ich muß mich einen Augenblick um die Küche kümmern, Sie entschuldigen wohl .« Frau Martha schob ihren Stuhl heftig zurück; er kratzte über den Zementboden wie ein Griffel über eine Schiefertafel.
Herr Ess verzog das Gesicht; ihm lief bei solchen Geräuschen eine Gänsehaut über den Rücken. Sie zwang sich zu einem etwas schiefen Lächeln der Entschuldigung.
»Natürlich, lassen Sie sich nur nicht aufhalten. Ihr Mann leistet mir ja beste Gesellschaft .«
Eine bessere Gesellschaft scheint es für ihn überhaupt nicht mehr zu geben, dachte sie bitter, und Josef, dieser Trottel, merkt nicht mal, daß sich der reiche Mann über ihn lustig macht. Mußte er denn auch immer wie ein Zirkuspferd herumziehen, mit diesen fürchterlichen Eseln im Schlepp? Es war alles so widerwärtig geworden seit kurzem. Um nichts in der Welt hätte sie auf der Terrasse sitzen bleiben und sich den Spott anhören mögen. Es war so peinlich — ihr Mann! Früher war sie mit Herrn Ess gut zurechtgekommen; er überließ das Heim gänzlich ihr. Jetzt hatte er nur noch Sinn für die Esel und überlegte die Dinge, die doch schließlich sie angingen, mit ihrem Mann.
Sie fragte sich nicht, wie es zusammenpaßte, daß sich der Chef erst über ihren Mann lustig machte und sich dann mit ihm beriet. Sie wollte sich nichts dergleichen fragen; ihre Rettung aus allen Verworrenheiten des Daseins war immer das Tun gewesen, und so stürzte sie sich auch jetzt mit so viel geballter Energie auf
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