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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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wollen, und da alle eine Viertelstunde zugegeben hatten, fielen sie nun gemeinsam ein wie ein Schwarm Heuschrecken. »Scharen über Scharen treffen im Tal der Entscheidungen ein. Joel vier, vierzehn«, dröhnte die Stimme des Pfarrherrn kernig auf im Tumult.
    Frau Marthas gemessene Würde hielt dem Ansturm des Stammtisches nur mühsam stand, zumal sich Dr. Kösters gleich neben sie stellte und es auf sich nahm, sie jeweils mit Gast und Gabe bekannt zu machen: mit Mutter Münte und dem riesigen Knochenschinken, den Willem leicht verlegen hinter ihr her trug; mit Oma Bormann im knisternden Schwarzseidenen und dem vielteiligen, goldgefaßten Granaterbschmuck, begleitet von Opa, der nach dem letzten Schlaganfall krumm ging und unentwegt vor sich hin mümmelte, und den »jungen« Bormanns, die sich gut und gerne den Fünfzigern näherten und Leberwürste und selbstaufgesetzten Beerenschnaps brachten; mit seiner Schwägerin, der rundlichen Förstersfrau, die in der Hutschachtel Buttercremetorte trug; mit dem Bürgermeister und einer Prachtpackung »Altenglisch Lavendel«, von der Frau Große-Witte vernehmlich flüsterte: »Echt Musong!«, damit keinerlei Zweifel an der Kostbarkeit des Geschenkes aufkommen konnten; und schließlich mit Fräulein Lisbeth Winkelmann, deren leise Reserviertheit hinter einem wahren Wald von Dahlien verschwand.
    So verlief die Begrüßung teils verlegen-zeremoniell, teils lärmend, und die erste Welle von Fröhlichkeit brandete auf, als zum Schluß Waldemar Müller sein Rad den Weg zur Terrasse hochschob, knallrot vor Verlegenheit die Sportmütze zog, die Füße in den unvermeidlichen Reformsandalen im Sand vergeblich zusammenzunehmen versuchte und, wie ein Taschenmesser herunterklappend, stotterte: »Herr Stationsvorsteher schickt mich an seiner Statt. Er läßt sich entschuldigen. Es mache ihn — hick — nervös, mich allein auf der Station zu lassen, wegen — wegen eventueller Güterzüge...«
    Dr. Kösters wäre fast über die Verandabrüstung gefallen, und Herr Müller tat das Klügste, indem er herzhaft in das Gelächter einstimmte. Frau Martha war nicht sehr davon erbaut, daß sich die Aufmerksamkeit auf andere richtete, zumal sie das Benehmen ihres Chefs irritierte, der, die langen Glieder schlenkernd, den Weintransport und die Einlagerung in die Badewanne dirigierte, als sei es ein Mordsspaß. Doch das waren Kleinigkeiten. Den Triumph, der sie erfüllte, konnten sie nicht beeinträchtigen.
    Schon blitzte es in den Augen der weiblichen Gäste anerkennend auf. Gierig trank sie jeden Blick, jedes Kompliment.
    »Wie wunderhübsch Sie es hier haben !«
    »Hier kann man es aushalten .«
    »Ein selten schönes Fleckchen Erde — und so sauber, so gepflegt.«
    »Was das für eine Arbeit sein muß, mit all den vielen Kindern dazu! Und wie die Tische geschmückt sind, richtig geschmackvoll !« Es war Josefs Laub, aber sie ließ es hingehen. Die Rosen um die Brüstung funkelten frisch gewaschen nach dem Regen; in den tiefen, fast bis zum Boden reichenden Wohnzimmerfenstern spiegelten sich die sonntäglich gekleideten Gäste, die Tische und die Sonne. Ja, es war ein festlicher Anblick!
    Auf einen Wink von Frau Martha schoben sich nun schwerfällig und gehemmt die Kinder ins Wohnzimmer und stellten sich gleich, wie sie es von allen Inspektionen her gewohnt waren, in zwei Reihen hintereinander auf. Sie brummelten dabei unwirsch vor sich hin, schubsten sich mit den Ellenbogen und Schultern grob auf die Plätze, wußten nicht, wo sie die Hände lassen sollten, und starrten an den dunklen Sonntagskleidern entlang auf die Stiefelspitzen. Ganz vorn in der Gruppe der Gäste stand Gerda neben Ulrike Kösters, und als sich die Heimkinder so umständlich entknäuelten und das Gespräch der Erwachsenen kurz abbrach, lachte sie einmal auf, grell und spöttisch.
    Leo, Änne und Andreas hoben ruckartig die Köpfe, wie mit einer einzigen Bewegung. Die Augen glühten auf. Es war nur wie ein leichter Windschatten auf der Oberfläche eines heiteren Sees. Niemand bemerkte es außer Don Chaussee, und der hielt den Atem an, weil er wußte, daß Windschatten Stürme ankündigen. Das war es, was ihn unruhig gemacht hatte: das unbewußte Warten auf dieses erste Anzeichen eines Sturmes.
    Jetzt fiel die Unruhe von ihm ab. Er wußte, daß er von jetzt an um jeden Preis ruhig bleiben mußte. Eine Woche lang hatte er an nichts anderes gedacht als an die Kinder, und wenn er sie auch noch längst nicht gründlich kannte, so

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