Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
Vom Netzwerk:
wollte. Fast wäre er dabei auf ihn getreten, denn der nasse dunkle Körper hob sich kaum von der nassen dunklen Erde ab. Die Zweige der nächsten Eiche schoben sich noch ein Stückchen über den Zaun; in ihren Schutz hatte sich der Esel wohl verkrochen. Neben ihm lag eine angebissene Rübe.
    Es war sicher ziemlich lange trocken geblieben da unten, aber als der Regen heftiger geworden war, hatte er das leichte Dach gilbender Blätter durchschlagen. Jetzt nieselte es nur noch dünn; die Nässe sammelte sich erst in den Blätterschalen, ehe sie in dicken, vereinzelten Tropfen auf den gedunsenen Eselsleib fiel. Andreas tippte vorsichtig mit dem Fuß daran. Mausetot, da war kein Zweifel. Er zuckte die Achseln: So war das nun mal, irgendwann krepierte jeder. Er wußte noch genau, wie der brüllende Siegfried eines Morgens nicht mehr gebrüllt hatte, sondern seltsam gelb in dem Bett gelegen hatte, aus dem er in seinem zweijährigen Leben kaum herausgekommen war. Da hatte die Nachbarin von nebenan — links die, die immer hustete — auch nur die Achseln gezuckt und gesagt: »So ist das nun mal, irgendwann krepiert jeder .«
    Da hinten, wo die anderen drei lagen, war noch viel Platz. Als er sich umwandte, um ins Haus zu gehen und Don Chaussee Bescheid zu geben, sah er Habakuk jenseits des Brombeergebüsches stehen und zu ihm hinstarren. Bis nach dort hatte er ihn hinter sich her gelockt, und da hatte er nicht weiter mitgehen wollen. Vielleicht, weil er den Toten witterte? Ein kurzer Schauder lief ihm über den Rücken, als er bedachte, daß er ja auch Habakuk hier hätte finden können. Er wandte sich wieder dem Wald zu und zwängte sich rasch durch den Zaun, sammelte die Hosentaschen voll Eicheln und lief zu Habakuk zurück. Der andere konnte warten, der war sowieso tot und wartete sicher schon die halbe Nacht. Habakuk war noch lebendig. Es drängte ihn hin zu ihm — solange er noch da war. Habakuk nahm Eichel um Eichel aus der Jungenhand, kaute bedächtig, stand auf einwärts gedrehten dünnen Beinen, die kantige Kruppe gegen den Wind gedreht, und ließ den Regen an sich heruntertropfen. Andreas betastete ihn mit der freien Hand. Die Wunden hatten Heilkrusten angesetzt, doch das hatten sie bei dem anderen, hinter den Brombeeren, auch; und dicker, nein, dicker war Habakuk sicher nicht. Jetzt, wo der Regen die letzten Haare des Fells eng an den Körper preßte, sah man die Magerkeit erschreckend deutlich. In Andreas krampfte sich etwas zusammen. Nicht Habakuk, dachte er, nicht Habakuk!
    Der Esel trottete bis ans Gitter neben ihm her, geduldig auf die letzte Eichel wartend. Ein gänzlich unbekanntes Gefühl durchzog den Jungen, als er auf die leere Hand schaute, über die eben die spröden Lippen suchend hin und her gefahren waren. Sie war warm und feucht, aber nicht vom Regen. Verwirrt wischte er sie an der Sonntagshose ab, ehe er hastig ins Haus lief.
    »Wo treibst du dich denn herum? Bei diesem Regen? Geh sofort auf euer Zimmer und wasch dich und bürste dich ab. Und untersteh dich, noch einmal nach draußen zu gehen !«
    Die heftigen Worte rannen ungehört an ihm ab; wie Habakuk den Regen, so ließ er sie über sich ergehen. Er nickte mechanisch. Einer war wieder tot — und es war nicht Habakuk.

    Frau Martha bemerkte die grübelnde Abwesenheit in seinen Mienen nicht. Ihr lag der Regen quer, seit dem Aufstehen schon. Er brachte alle ihre Pläne durcheinander. Das Wohnzimmer war viel zu klein für die vielen Gäste; es würde heiß und eng werden darin; das tat keiner Gesellschaft gut. Und jeder würde es sofort bemerken, wenn sich eines der Kinder danebenbenahm.
    »Wehe, wenn sich einer schmutzig macht! Putzt euch die Füße ab, wenn ihr von draußen hereinkommt! Seht die Leute an, wenn ihr sie begrüßt. Stopft euch nicht mit Kuchen voll, ihr wißt, das tut man nicht! Und macht nichts schmutzig... !« Sie hämmerte es ihnen ein, und weil es ihr bei jedem Blick nach draußen neu einfiel, wiederholte sie es immer wieder neu.
    Das untergründige Murren im Raum entging ihr. Sie war vor Eifer noch früher aufgestanden als sonst und hatte auch die Kinder eher wecken und zur Kirche gehen lassen; nun dehnte sich der Vormittag endlos lang, und vor den Verandafenstern wallte der sprüh-feine Regen wie grauer beklemmender Dampf. Als sie die Tatenlosigkeit nicht länger ertrug, kam ihr eine Idee, die verdrossen Herumlungernden nützlich zu beschäftigen. »Nehmt das Zeichenzeug und malt hübsche Schilder mit den Namen eurer

Weitere Kostenlose Bücher