13 alte Esel
verdufte — oder nee, komm her, hör zu. Der Braten ist ‘n Himmelsgeschenk. Tagelang zerbrech’ ich mir schon den Schädel, und jetzt ist er plötzlich da .«
Änne war wie umgewandelt. Über ihr verkratztes Gesicht zog ein heller Schimmer. Aus Huberts Gerede wurde sie zwar auch nicht klug, aber es zeigte ihr, daß er wieder gesund und der alte Hubert war. Das war gut. Neugierig kam sie näher, lauschte seinen schnellen, halblaut erteilten Anweisungen und leckte sich hingerissen die Lippen. »Mach’ ich«, sagte sie, »die Alte platzt. Verlaß dich drauf !«
»Hau ab !«
Hubert hatte nie daran gezweifelt, daß sie alles machen würde, was er wollte. Und ob die Alte platzte, war ihm ausnahmsweise mal egal. Lange Reden erübrigten sich also. Bald darauf humpelte er frischgewaschen auf die Terrasse, gab reihum die Hand und benahm sich erfreulich wohlerzogen. Schwester Monika streifte ihn mit einem stolzen Blick und sah in triumphierendem Einverständnis zu Don Chaussee hinüber, der nicht ganz überzeugt war von der Dauer der Wandlung. Frau Martha schob es erleichtert auf die lange Bettruhe.
Der Vorschlag, nach dem Kaffee das Haus zu besichtigen, stieß nicht auf die allgemeine freudige Begierde, mit der Frau Martha den ganzen gestrigen Tag beim Großreinemachen gerechnet hatte. Die Herren beschlossen, inzwischen die Bowle zuzubereiten. Eine schöne runde Suppenschüssel war zu diesem Zweck schon neben die Badewanne gestellt worden, doch lösten ihre Maße nur ein nachsichtiges Lächeln aus. Herr Ess und Don Chaussee tauchten im Keller unter und kamen mit einem Fünfzehn-Liter-Steintopf wieder nach oben, der zum Eiereinlegen gekauft worden war. Dann garnierten sie die Küche mit leeren Obstbüchsen, verstreuten Zucker auf dem Weg zum Bad, verlangten einen Hammer zum Eiszerkleinern und eine Rolle Heftpflaster für den Doktor, der sich dabei auf den Daumen geschlagen hatte, und ließen eine Flasche auf den Steinboden fallen.
»Das war eine leere«, versicherte die Doktorsfrau der zusammenzuckenden Frau Martha, »erstens hört man es am Geräusch, und zweitens läßt von denen keiner eine Flasche fallen, in der noch ein Tropfen zum Trinken ist .«
»Sie scheinen sich da sehr genau auszukennen .« Es sollte heiter klingen, aber eine gereizte Schärfe schwang mit.
»Mein Mann hat so viel Arbeit und Last mit seiner Dorfpraxis, kaum mal eine ganze Nacht Ruhe, und dann muß er immer noch gut gelaunt sein — ich kann Ihnen sagen, da bin ich heilfroh, wenn er sich mal, wie heute, einen Vertreter bestellt und einen richtig ausgelassenen Tag erlebt! Und wenn ich ihn eben dazu überreden kann, soll er auch zu Hause von Zeit zu Zeit mal ein Böwlchen oder eine gute Flasche trinken — auch wenn die Flasche hinterher kaputt geht .« Die Doktorin ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie Muckertum nicht schätzte.
In leiser Kampfstimmung begann die Runde durch die Zimmer, und Frau Martha wünschte, niemals eine Besichtigung vorgeschlagen zu haben. Sie war überzeugt, daß die Hausfrauen über der peinlichen Sauberkeit keineswegs Franziskas angesengte, gewellte Brennscherenpapierchen und die blakende Spiritusflamme, die sie auszumachen vergessen hatte, übersehen würden. In Huberts Zimmer war das Bett ungemacht. Und als sie die Bettdecke mit einem gereizten Schwung zuwarf, kollerte etwas Dunkles herunter, flog gegen Frau Große-Wittes seidenbestrumpftes Bein und kugelte sich auf dem Boden erschreckt zusammen. Frau Große-Witte hob den Rock, schrie auf und zeigte bleich das von den Igelstacheln verursachte Loch, von dem ein Dutzend Laufmaschen eilig das Bein hinabliefen. »Echt Kunstseide plattiert mit schwarzer Naht — meine sonntagenen«, sagte sie. »Hin!«
Aller Gäste ungeachtet schleifte Frau Martha Hubert persönlich ins Zimmer, ohrfeigte ihn öffentlich und sagte mit erstickter Stimme, auf den Igel weisend: »Fort !«
Hubert stürzte sich auf seinen kostbaren Besitz. Erst als er sich überzeugt hatte, daß ihm kein Stachel gekrümmt worden war, verstaute er ihn in den Karton und trollte sich.
»Ich weiß wirklich nicht — ich muß mich vielmals entschuldigen, ich wußte gar nicht, daß ein solches Tier im Hause war! Darf ich Sie in mein Zimmer bitten — ich habe ganz neue Strümpfe da — vielleicht versuchen Sie einmal — es ist mir ja so peinlich...« Ihre Bestürzung versöhnte die Bürgermeisterin. Während sie die neuen Strümpfe anzog, unterhielten sich die übrigen Damen angeregt über das so
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