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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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zu sehen, was das Mädchen so erregte, aber sie spürte die Spannung in der Luft und sah das winzige Körperchen taumeln. Sie flog um die anderen herum, war als erste hinter Malwine. Mit ihr zugleich sprang Andreas vor, aber Don Chaussee, der einen Moment lang wie angewurzelt stand, sah, daß er auf die linke Eselsseite sprang und mit der Hand über den Eselshals griff, um etwas fortzureißen. Er wußte also, was dort rechts hing. Andreas, der Gärtner!
    Alles spielte sich in Bruchteilen von Sekunden ab, doch in diesen Sekundenbruchteilen war in Malwine etwas zersprungen, war die hauchdünne Schutzschicht zwischen Traum und Wirklichkeit in ihr zerstoben. Der Schlag traf sie tief, und ihre Reaktion war jäh. Blitzschnell trat sie nach hinten aus, gegen den Arm, der sie halten wollte, und riß vorn Andreas das Schild aus der Hand. Die dünnen Beine in den weißen Söckchen begannen wild den Boden zu stampfen. Sie zerrte am Schild, bis sie es losgerissen hatte. Ihr Gesicht war schrecklich verzogen, der Mund schief und bläulich; die schielenden Augen funkelten schwarz vor grausamer Not. Sie hob das Pappschild und ließ es mit einem schnaubenden Ton auf den Eselsrücken niedersausen, auf Rücken, Hals und Kopf, immer wieder, immer wieder, lief gehetzt hinter dem Erschrockenen her, schlug und schlug, bis die Pappe zerbrach und in Fetzen wegflog. Dabei keuchte sie unartikuliert, den Hals zusammengezogen und auf den Schläfen zwei dicke Stränge blauer Adern, keuchte: »Du bist häßlich, häßlich, häßlich — ja, ja, häßlich .« Bläschen zerplatzten vor dem Mund, zwischen Unverständlichem kam es immer wieder zischend: »...häßlich — häßlich — oh — oh — oh — häßlich...« Keiner hatte sie je so gesehen. Jeder der Umstehenden machte einen Schritt vor — und blieb wieder stehen, mit Füßen, die wie Blei am Boden hafteten. Was sich da abspielte, war so unwirklich und zugleich so bestürzend elementar, ein Vulkanausbruch, den man nicht stoppen konnte, nicht zu stoppen wagte. Malwines Zöpfchen hatte sich gelöst, die Haare hingen wirr, klebten auf der Stirn, die feucht und gelblich glänzte; Speichel rann aus einem Mundwinkel. Der Esel lief aufgescheucht im. Kreis herum. Malwine hämmerte jetzt mit den bloßen Fäusten auf ihn ein, trat nach ihm, stieß mit den spitzen Knien gegen seinen Bauch. »Du, du, du — du lügst, du bist häßlich, häßlich — ohhh — häßlich !«
    Herr Ess sah auf Don Chaussee und tupfte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
    Franziskas dumme braune Kuhaugen unter dem veilchenduftenden Wulst starrten verständnislos auf die Szene. »Nu ist sie total übergeschnappt«, flüsterte sie schaudernd. Aus dem Park kamen die Eichelsammler herbei, um ebenfalls entsetzt stehen zu bleiben. Andreas fütterte Habakuk, der dicht neben ihm stand, mechanisch mit Eicheln.
    So plötzlich, wie es begonnen hatte, war es vorbei. Der Esel, der das alles nicht begriff, blieb stehen. Vorder- und Hinterbeine starr von sich gestreckt, hob er den verstümmelten Schwanz, an dem noch immer die Schleife hing, reckte den Hals mit dem schrundigen Kopf und schrie! Einen harten, gequälten Schrei des Protestes, lang und jammernd und erbarmungswürdig.
    Malwine gefror auf der Stelle zu atemlosem Horchen. Die zum Schlag erhobene Hand hing in der Luft, die gehetzten Augen mit den fast schwarzen Ringen darunter schienen sich festzusaugen an dem schreienden Eselsmaul; Zittern überrann sie.
    »Da muß man doch — das kann ja — Nervenfieber —«, sagte der als letzter gekommene Dr. Kösters rauh und schob die vor ihm Stehenden beiseite. Die Arztstimme löste den Bann. Eine Krankheit. Dagegen war wenigstens etwas zu machen. Taschentücher fuhren über heiße Gesichter; gespannte Schultern lockerten sich befreit. Malwine schien das Nachlassen der Spannung rundum zu fühlen. Wie eines magischen Haltes beraubt, schrumpfte sie sichtbar zusammen, schlug beide Hände vor die Ohren, schrie einmal spitz und gellend auf, wandte sich taumelnd und rannte, während ein Strom von Tränen über ihr Gesicht lief, blindlings davon. Lisbeth Winkelmann fing sie auf.
    Malwine stürzte in braune, warme Geborgenheit, bohrte den Kopf in die Falten eines Kleides, das süß roch, fühlte sich von zwei Armen umschlossen und hörte eine Stimme, überquellend vor Erbarmen, sagen: »Kindchen, Kindchen...« Das Unbegreifliche, Entsetzliche, das eben auf sie zugekommen war, blieb draußen, solange sie die Hände in den Stoff

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