13 alte Esel
daran, daß sie die Propheten nicht chenug studiert. Wie sagt Hosea cherade von Ihnen: >Schon nach zwei Tagen wird er uns chenesen lassen, am dritten Tage uns wieder aufhelfen .< «
»Davon hat sie augenscheinlich noch nie gehört. >Ich leg’ sie schön ins Bett, und hernach trinkt sie einen guten Fliedertee und nimmt ein paar Tröpfchen Baldrian auf Zucker, und eine Wärmeflasche machen wir ihr, oder auch zwei, damit die Füßchen gut warm werden, und hinterher wird sie wunderbar schlafen und lauter gute Dinge träumen< — dabei blieb es. Fliedertee! Als ob sie Grippe hätte !«
»Ach, ihr Männer!« Die Doktorin unterbrach die gutmütige Spöttelei ihres Mannes resolut. »Lisbeth hat recht. Was das unselige kleine Dingelchen braucht, sind nicht Spritzen und Pillen, sondern Liebe und viel, viel Zärtlichkeit .« Halb unbewußt zog sie Ulrike, die neben ihr saß, näher zu sich heran. »Ich möchte wissen, wie unsere Kinder all ihre Krankheiten und Wehwehchen nur mit deinen Tabletten überstanden hätten ohne ihre Mutti !«
Frau Martha erhob sich brüsk. Liebe! Natürlich brauchten Kinder Liebe, nur war es ein ziemlicher Unterschied, ob man in gesicherten normalen Verhältnissen zwei artige Kinder zu erziehen hatte oder unter so ganz anderen Umständen aus erblich belasteten Kindern anständige Mitglieder der menschlichen Gesellschaft machen mußte. Wie einfach sich diese Frauen das alles vorstellten! Seit einer Woche versuchte ihr Mann wohl etwas Ähnliches. Oder was bedeutete sonst Monikas Gerede von Psychologie und sein Herumziehen mit den Kindern? Was dabei herauskam, sah man heute! Sie kam da nicht mehr mit. Nein! In einer Welt, in der selbst die geistlichen Herren leichtfertig mit den Worten der Bibel umgingen und, statt den ungebärdigen Kindern streng ins Gewissen zu reden, Leberwurst aßen, fand sie sich nicht zurecht.
Zornig lehnte sie gegen den Küchenschrank, und ihre Stimmung wurde nicht besser durch die Notwendigkeit, sich zudem noch entscheiden zu müssen, entweder eine weitere Dose Leberwurst zu öffnen oder Frau Müntes mitgebrachten Schinken anzuschneiden. Eins war ihr so zuwider wie das andere. »Was gab’s denn zum Abendbrot ?« würden sich morgen die Leute im Dorf neugierig erkundigen, und sie errötete hier und jetzt schon vor Scham, wenn sie daran dachte, wie die dicke, gewöhnliche Bürgermeistersfrau sagen würde: »Och, man bloß Leberwurst.«
Sie schnitt den Schinken an, und selbstverständlich wurde er mit Zungenschnalzen begrüßt und unter Komplimenten für die stolz erglühende Mutter Münte verspeist, während ihr Braten — vier Pfund zartes, bestes Roastbeef — wie vom Erdboden verschluckt war und blieb.
Don Chaussee war mit seinen Gedanken im Pfarrhaus, bei Malwine. Der Pastor hatte sich sofort bereit erklärt, sie vorläufig bei sich zu behalten, und wenn es seiner Schwester und dem Kind Freude mache, auch für immer. Er war ein gütiger Mensch, voll verstehender und mitfühlender Menschlichkeit; streng, wenn es sein mußte, doch auch bis ins Mark davon überzeugt, daß es Gott Freude mache, seine Geschöpfe herzhaft lachen zu sehen. Don Chaussee streifte ihn mit einem fast andächtigen Blick. Selten war er auf all seinen Wegen einem so lauteren Mann begegnet. Dann fiel ihm ein, wie erschreckt Fräulein Lisbeth damals abgewehrt hatte: Nein, nein, keine Kinder! Und mit welch überquellender Zärtlichkeit sie sich eben Malwines angenommen hatte. Jetzt verstand er es. Kinder machten ihr Angst; sie waren zu ungestüm, zu derb für dieses zerbrechliche Persönchen. Malwine hingegen war eher eine kranke, welke kleine Pflanze. Er sah den Garten vor sich mit all den sorglich gepflegten Gewächsen, der rosenüberschütteten Veranda, der sonnenwarmen Stille; und ohne es gesehen zu haben, stellte er sich ein altmodisches Pfostenbett vor, mit mächtigem Plumeau, in dem man geborgen war vor der Welt. Und Fräulein Lisbeth huschte durch die Fliesengänge, brühte Kräutertee auf, preßte Zitronen und erzählte dabei Märchen. Sie mußte wunderbar Märchen erzählen können, in ihrer warmherzigen, heiteren Gelassenheit. Wenn irgendwo, dann würde Malwinchens wunde Seele dort genesen. Auch das haben schließlich die Esel fertiggebracht, dachte er dankbar. Die unnützen Esel.
Leo, links neben ihm sitzend, unruhig mit dem breiten Po den Stuhl polierend, hielt es nicht länger aus. Er stieß ihn mit dem Ellenbogen an. »Rhm, ehem, sollen wir vielleicht morgen der Malwine ihren Esel auch
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