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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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krallte und den Kopf in der ungekannten Wärme verbarg. Schluchzen schüttelte sie. Alles Elend ihres kleinen Lebens drängte mit den Tränen aus ihr heraus; doch noch enger umfingen sie die Arme und wiegten ihre Schultern ganz sacht, und eine Stimme, so sanft und leise, wie sie sie noch nie gehört hatte, sagte dicht an ihrem Ohr: »Mein Kleines, mein Kindchen, sei nur still, sei still.«
    Das Schluchzen brach ab; mit allen Fasern horchte sie auf diese Stimme. Das dünne Körperchen zuckte noch, die Tränen rannen unvermindert, doch sie hielt den Atem an, um der Stimme zu lauschen, die solche nie gehörte Worte zu ihr sprach: »Mein Kleines...«
    Der Kopf tat ihr weh; über den Ohren pochte es, als würde er gleich zerspringen; die Augen brannten, und tief drinnen im Herzen brannten die Worte des Schildes. Doch die Hand, die über ihren Kopf fuhr, war so leicht und kühl, daß es nicht weh tat. L[nd die Stimme sprach wieder Unfaßbares: »Wie hübsch deine Haare sind, wie sie jetzt in der Sonne leuchten. Und so fein wie Seide sind sie. Wir schneiden den Zopf ab, dann fliegen sie wie Federchen um den Kopf. Was meinst du? Gefällt dir das ?«
    Den Zopf abschneiden? Einfach den gräßlichen Zopf abschneiden, an dem alle immer zogen und der an der Stirn weh tat, weil man die Haare so fest nach hinten binden mußte, damit er überhaupt hielt? Träumte sie schon wieder? Schnell, mit einem kleinen Schluchzer, schöpfte sie Luft und hielt dann den Atem abermals an, damit der Traum nicht verflog.
    »Schrecklich«, sagte Frau Martha, die Hand auf die Stirn gepreßt, »diese schrecklichen Kinder! Wer hat das nur getan? Diese unseligen Esel!«
    »Wieso Esel? Hat der Esel das Schild geschrieben ?« Herr Ess unterbrach sein Gespräch mit Dr. Kösters und dem Pfarrherrn und drehte sich zu ihr um. »Das ging ja auch nicht auf den Esel, sondern sollte das Kind selbst treffen, das häßliche kleine Würmchen. Ich verstehe nicht, daß die anderen Kinder sie nicht bemitleiden. Haben Sie ihnen denn nicht von vornherein klargemacht, wie man in einem solchen Fall besonders nett und rücksichtsvoll sein muß ?« Er sprach schärfer als sonst, offensichtlich arg mitgenommen von dem Vorfall.
    Sie biß sich auf die Lippen. Das war ein Vorwurf gewesen, ein ungerechter Vorwurf noch dazu. Natürlich hatte sie die anderen nicht auf Malwinens Gebrechen aufmerksam gemacht; sie hielt es für taktvoller, darüber hinwegzusehen, und wie richtig diese Ansicht gewesen war, bewies ja die bisherige Haltung der Kinder. Nie war ein Wort darüber gefallen. Und jetzt dies! Die Kinder kehrten ihre übelsten Seiten heraus, und der Chef rügte sie öffentlich!
    Zum drittenmal an diesem Tag sah sie sich unwillkürlich hilfesuchend nach ihrem Mann um. Er war nicht da. Irgendwoher aus der nun im Widerschein des Abendrotes goldschattigen Dämmerung des Parkes klang seine Stimme herüber. Wahrscheinlich erzählte er allen Gästen, wie er den Garten umgestalten wollte. Der Gedanke vertrieb jede Regung des Schutzbedürfnisses. Wie immer profitierte er auch jetzt von ihrem Elend. Taten die Kinder etwas Hübsches, strahlte Herr Ess: »Unser prächtiger Don Chaussee«; benahmen sie sich greulich daneben, erteilte er ihr eine scharfe Rüge.
    Sie lachte kurz und bitter auf. Das war der Dank für Jahre selbstlosen Mühens! »Franziska«, sagte sie, so ruhig sie konnte, »du hilfst mir, Malwine zu Bett zu bringen. Das arme Kind...« Aber auch diesmal drehte Herr Ess sich um und winkte kurz ab. Was war denn nur los? Das Kind mußte doch zu Bett.
    Malwine krampfte sich bei ihren Worten stöhnend in die Falten fest. Sie unterdrückte nur mühsam das Würgen ihres Magens, der sich zusammenzog bei dem angstvollen Gedanken, daß man sie aus dem Schutz der weichen Arme, der duftenden Dunkelheit des Stoffes herausreißen könnte. Die sanfte Stimme neben ihrem Ohr sagte: »Nun sieh mich mal an, Malwinchen .«
    Sie schüttelte entsetzt den Kopf. Nein, nein, nur das nicht! Mit fast ungestümem Druck preßte sie das Gesicht gegen den braunen Rock mit dem nun schon vertrauten Fliedergeruch. Malwine, der häßlichste... Nein, dann würde der Traum vorbei sein. Die Frau durfte sie nicht sehen. Nie!
    »Weshalb denn nur nicht ?« fragte die leise Stimme. »Willst du mir das auch nicht sagen? Komm, sag mir wenigstens, weshalb du mich nicht ansehen willst. Sag’s mir ganz leise ins Ohr .« Die Stimme flüsterte überredend. »Niemand hört uns .«
    Malwine überlief es heiß vor Verlangen, das

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