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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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Gewicht der Erkenntnis wieder loszuwerden, das eben so grausam jäh auf sie niedergestürzt war, nicht allein zu sein mit dem schneidenden Schmerz, es jemanden — ihr — zu sagen, was sie selbst erst seit dem Schild wußte. Sie schluckte hart. Fräulein Lisbeth sah Röte den zarten Hals hinaufjagen. Dann reckte sich die Kindergestalt, bis der Mund neben ihrem Ohr war. Mit fest zusammengepreßten Augen hauchte sie stockend: »Ich bin doch häßlich. Weil — weil — ich schiele doch...«
    Und im allernächsten Moment erlebte Malwine etwas, das sie die Arme hochwerfen und um Fräulein Lisbeths Hals schlagen ließ vor herzstockender Seligkeit: Sie spürte einen Kuß auf ihrer Backe. Weiche Lippen fuhren über ihre Wangen und Augen, und ein leises Lachen kullerte auf. Kein grelles Lachen, wie wenn Franziska oder Leo lachten. »Du Dummerchen, das macht doch gar nichts aus! Da gehen wir zum Doktor, dem wird schon was einfallen. Vielleicht kriegst du eine feine Brille, und man sieht es kaum noch. Schau, ich hab’ auch immer eine Brille bei mir, weil ich sonst überhaupt nicht lesen kann .«
    In der düstersten Stunde ihres kleinen Lebens war Malwine einem guten Menschen begegnet.
    Frau Martha hatte es gesehen; Herr Ess, der Doktor und der Pfarrer hatten es gesehen. Und Gerda sah es. Sie stieß Ulrike an, deren Augen von mitleidigen Tränen überliefen, und sagte schief: »Puh, die macht sich ja bloß interessant. So eine Angeberei!«
    Eine Ohrfeige, heftiger als die beiden an den Tagen zuvor, brannte auf ihrer Backe. »Niemals hätte ich gedacht, daß jemand aus meiner Familie so herzlos ist. Geh auf dein Zimmer und bleib dort. Ich will, dich heute abend nicht mehr sehen !« Ihr Großvater war empört. Er war es auch eine halbe Stunde später noch, als er auf der Terrasse Don Chaussee davon berichtete. »Sie ist viel zu verwöhnt. Ich hätte nie gedacht, daß Kinder so grausam sein können .« Zu seiner Verwunderung nickte Don Chaussee nur gedankenvoll und bekümmert: »Kinder sind grausam! Armes Mädchen!« Und auf die Frage, wie er das nun wieder meine, sah er unbehaglich drein und wand sich um eine klare Antwort herum. »Sehen Sie, ich denke, die Gerda ist eifersüchtig .«
    »Auf Malwine? Aber mein Bester!« Herr Ess lächelte mit hochgezogenen Brauen.
    »N-nicht direkt. Nur, Fräulein Lisbeth ist schon ein ungewöhnlich gütiger, ritterlicher Mensch, nicht wahr? Und da, nun ja, da war sie wohl eben eifersüchtig.«
    Herr Ess lächelte nicht mehr. Er klopfte Don Chaussee schweigend auf die Schulter, ehe er sich, ein wenig müde, zu den Nachbarn setzte. Gerdas Mutter war in Schweden. Tennisspielen. Doch was konnte er daran ändern?

    Ein Esel sei in der Küche gewesen und habe den Braten gefressen, behauptete Änne steif und fest. Ein Esel — einen vier Pfund schweren Braten. Natürlich war es gelogen. Seit wann fraßen Esel Fleisch? Doch der Braten war weg, und Änne blieb bei ihrer Behauptung.
    Frau Martha tastete sich vorsichtig an der Wand entlang in den Keller, einen weiten Bogen um das Geländer machend, und holte eine Büchse Leberwurst herauf. Es war ihr einerlei, was die Gäste aßen. Das Fest war ihr entglitten. Draußen ließ Herr Ess die Gedecke der Kinder zwischen die der Erwachsenen legen und die Tische zusammenschieben. All die Ungezogenheiten übersah er einfach und ließ ihr die Kinder noch ungezogener und aufsässiger zurück. Das Haus sah jetzt schon aus wie ein Stall; überall schmutzige Tapsen, wo die Gäste den nassen Park auf die Teppiche geschleppt hatten. Die Kinder taten es ihnen aus purer Bosheit nach. Sie hatte selbst gesehen, wie Leo einen Dreckstrich durch die Garderobe zog. Zerschlagen lehnte sie sich einen Augenblick lang gegen die kühle Kellerwand. Jetzt im Bett liegen und die Decke weit über die Ohren ziehen dürfen und sich um kein Fest mehr zu kümmern brauchen!
    Bei Tisch war Malwine das wichtigste Gesprächsthema. Dr. Kösters hatte sie und Fräulein Lisbeth ins Pfarrhaus gebracht und erzählte nun von seinen gescheiterten ärztlichen Bemühungen. »Ich wollte ihr eine Beruhigungsspritze machen, aber da hätten Sie mal Ihre Schwester sehen sollen, Herr Pastor! Sie machte mir ebenso höflich wie unmißverständlich klar, daß sie mich für einen Blutsauger halte, einen Messerstecher, der einen zwar notfalls im Auto nach Hause fahren, den man aber um Himmels willen nicht an ein Krankenbett lassen darf.«
    Der Pastor aß mit großem Appetit Leberwurst und schmunzelte: »Das liegt

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