13 alte Esel
gesagt: »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte«? Wußten nicht alle längst, daß es passierte, weil sie, die Leiterin, die Horde schlecht erzogen hatte?
Sie fand die Ersatzsicherungen nicht. Statt dessen fand ihr Mann den dafür verantwortlichen Übeltäter sofort: Leo, der ihm gestand, daß er am frühen Nachmittag, gleich nach dem Kaffee schon, am Schalter einen Wackelkontakt verursacht und die Ersatzsicherungen in die Jauchegrube geworfen hatte. Ein paar der Gäste kicherten, andere räusperten sich weniger erheitert. Die Situation blieb peinlich.
Die »junge« Frau Bormann schlug vor, ihr Mann solle eine Stalllaterne holen; Frau Große-Witte und Försters drängten zum Aufbruch. Das wäre das Ende gewesen. »Nach dem Abendessen war’s Licht kaputt, da sind se denn man gegangen«, würden sich morgen die Hausmädchen kichernd erzählen und vielsagend hinzufügen: »‘ne Wirtschaft is das! Die hatte wohl ihren Grund, keinen ‘reinzulassen .«
»Hast du Kerzen ?« fragte ihr Mann leise.
Sie nickte: »Reichlich, aber keine Halter, grad einen Blechhalter .« Nur dem Pastor war die gute Laune keinen Augenblick verlorengegangen. Er paffte im Dunkeln weiter und stellte befriedigt fest: »Tas kommt davon, wenn man Satans Hilfe anruft .«
»Hosea, Hosea«, neckte ihn Dr. Kösters gleich, ebenfalls bestrebt, die allgemeine Laune zu heben, »wie sagt der Prophet so richtig...«
Der Pastor ließ sich nicht verblüffen. »Hosea — o Mann, Sie kennen Ihre Bibel nicht. Jeremias war es, der unseren Chastgeber prophetisch voraussah: >Dein Wantel und dein chanzes Tun haben dir solches Unheil einchetragen<, sagt er, >deiner Verworfenheit verdankst du ties, daß es dir ans Licht cheht!<« Diesmal bezweifelte freilich nicht nur die Bürgermeisterin die Echtheit des Spruches, doch — echt oder nicht — alle lachten befreit.
Don Chaussee hatte Leo, den Bruchelektriker, mittlerweile ziemlich unsanft in den Keller geschleift und ihn einen Haufen leerer Flaschen nach oben tragen lassen. Den Jungen jetzt noch zu bestrafen war sinnlos. Das alles war ja vorbereitet worden, ehe sie unter der Kastanie beim Schuppen jene gründliche Unterredung gehabt hatten, auf Grund derer Leo sofort gestanden hatte. Mochte es also hingehen.
In der Küche brachte Franziska Wasser zum Kochen, und Andreas und Hubert spülten die Flaschen und trockneten sie ab. Wie es weitergehen sollte, ahnten sie nicht, doch als sie beim huschenden Licht zweier Kerzen taten, was Don Chaussee ihnen auftrug, vergaßen sie ihre Widerborstigkeit und waren nur gespannt.
Es wurde nicht langweiliger, als sie die Flaschen einen Fingerbreit mit kaltem Pumpenwasser füllten und schnell der Reihe nach in kochendes Wasser hielten. Jedesmal ertönte leises Knacken. Eine vorsichtige Drehung, und schon ließ sich der Boden abnehmen. Durch die entstandenen Öffnungen schoben sie rückwärts je eine Kerze bis in den Flaschenhals und zündeten sie an.
Im Nu entstanden die schönsten Windlichter.
Draußen steckte Don Chaussee sie mit den Hälsen tief in die Blumenkästen auf der Brüstung. Die vier in der Küche stellten begeistert so lange neue Lampen her, bis in jedem der zehn Kästen drei Laternen standen und einen Kranz leise wehender Lichter um die Terrasse legten. Manche Flaschen waren grünlich, manche dunkelbraun, und ein paar waren weiß, und ihr Licht fiel auf die bunten Petunien und die roten Geranien in den Kästen und auf die Rosenbüschel, die von der Pergola herunterhingen. Keiner von denen, die nun wie in einer Laube aus Licht und Farbe unter dem samtblauen Himmel saßen, konnte sich ihrem Zauber entziehen.
Eine mildere, weichere Stimmung breitete sich aus.
Eine seltsame Stunde lang wurde das Fest nun so, wie es Herr Ess im Herzen geplant, aber so traumhaft selber noch nicht erlebt hatte. Die Kinder nippten, befangen von der blühenden Stille, scheu an ihrer Bowle aus wenig Wein und viel Selters, frischen Pfirsichen, und die Erwachsenen tranken wohlig entspannt ihren Wein. Auf den Gläsern spiegelten sich Licht und Farbe. Schmatzen, kennerisches Schnalzen, Gluckern bei leicht zurückgelegtem Kopf und verklärter Miene. Selbst der Stammtisch polterte da nicht, und Leo stierte benommen auf die rätselhaften Trinksitten, die den ihm bekannten so gar nicht ähnelten. Ihm war nicht recht klar, ob die da alle keine Kerle waren oder ob man, um ein Kerl zu sein, am Ende gar keinen Schnaps saufen mußte. Aber sehr klar war ihm überhaupt nichts mehr.
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